Ernst Pawlas (1920-2004) kämpfte während des Zweiten Weltkriegs im deutschen Jäger-Regiment 49 an der Ostfront. Nach dem Krieg schrieb er darüber den folgenden Bericht, den wir hier mit der Genehmigung seines Sohnes veröffentlichen dürfen. Der Inhalt des Textes ist unverändert geblieben. Es ist die ungeschminkte Geschichte der Ostfront aus der Sicht eines deutschen Soldaten.
Breslau, meine Geburts- und Heimatstadt gehörte vor den schrecklichen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges zu den größten und schönsten Städten Deutschlands. Hier wurde ich am 30. 9. 1920 geboren. Meine Eltern wohnten zuerst in der großen Trainergasse, in der Nähe des Schießwerders, später zogen wir um in eine Wohnung im Seitenhaus der Brauerei Weißes Haus, unmittelbar am Neumarkt gelegen. Wir waren sieben Geschwister, zwei Brüder und fünf Schwestern. Mein Vater war Schlosser und auch ich erlernte das Handwerk des Schlossers und Schweißers. In meiner Freizeit ging ich in den Boxverein, was sich als vorteilhaft erweisen sollte.
Ich war weder Pimpf noch Hitlerjunge. Mein Vater war überzeugter Sozialdemokrat und hatte mit der ganzen Hitlerei nichts am Hut. Er änderte seine Einstellung auch nicht nach der Machtergreifung und in den folgenden Kriegsjahren. Ich kann mich noch gut an einen Vorfall erinnern, bei dem ihm deswegen beinahe ein Strick gedreht worden wäre. Es muß 1943 gewesen sein. Mein Vater hatte sich mit Freunden in einer Gastwirtschaft in der Nähe des Neumarkts zum Kartenspiel getroffen, als plötzlich im Radio des Lokals eine wichtige Rede des Führers übertragen wurde. Mein Vater und die anderen Skatspieler ließen sich aber dadurch nicht aus der Ruhe bringen und setzten ihr Kartenspiel fort, ohne von der Führerrede die geringste Notiz zu nehmen. Sein Pech war es nur, dass ein anderer Gast ihn wegen seines Verhaltens anzeigte. Er kam in Polizeigewahrsam. Ich war gerade auf Heimaturlaub von der Front und erst auf meine heftigen Proteste und Vorhaltungen hin, dass ich als Frontsoldat meine Knochen hinhalten müßte und es nicht verstehen könnte, dass mein Vater wegen einer Lappalie im Gefängnis saß, wurde er schließlich auf freien Fuß gesetzt.
Zum Militär kam ich wie alle meine Kameraden, indem wir zunächst zum Arbeitsdienst einberufen wurden. Später ging es an die Front. Wenn ich mich während der Niederschrift meiner Fronterlebnisse zurückerinnere, an all das Leid und die Grausamkeiten, die uns diese Zeit brachte, dann bleibt Breslau, Schlesien, meine Heimat, für mich unvergesslich.
Ich habe versucht, meine Erlebnisse so zu schildern, wie ich sie als Frontsoldat empfand. Sie sind ein Beitrag zur Geschichte dieses Krieges, aus der Sicht eines Menschen, der sich darüber bewußt ist, dass er Glück gehabt hat zu überleben und der Trauer empfindet bei der Erinnerung an all die anderen, die im Kriege fielen oder verschollen sind.
Der Krieg mit Frankreich sollte bald beginnen. Wir hatten unsere Ausbildung noch nicht beendet, da verlegte man uns nach Volklingen (Saarland). Unsere Unterkunft und Quartier war eine Kirche, die an der Hauptstraße stand und ein paar Kilometer weiter war schon die Front-HKL. Wir hatten den Auftrag, wenn es mit Frankreich losgehen sollte, hinter der vorrückenden Infanterie, die Bombentrichter, die unsere Luftwaffe und Artillerie an Straßen und Straßenkreuzungen verursacht hatten, so schnell wie möglich und provisorisch zuzuschütten, damit unsere schweren Waffen, Artillerie und Panzer, vorrücken konnten. Wir im Arbeitsdienst kamen nicht weit. Meistens waren wir in Thul, Nancy und Metz. Wir hatten viel Arbeit. Wir mußten die Bunker ausräumen und Lebensmittel auf die LKW's verladen.
Ich wurde eingeteilt, jeden Tag ins Gefangenenlager zu gehen und 10 gefangene Neger zum Arbeiten zu holen. Des Weiteren mußte ich eine leerstehende Kaserne säubern. In dieser lagen Munitionskisten, Gewehre und Kartons herum. Sie wurden von meiner Gruppe gestapelt und die Kaserne war nach ein paar Tagen in Ordnung gebracht. Der Frankreichfeldzug war schon ein paar Tage zu Ende, doch jedes Mal, wenn ein Flugzeug über uns flog, nahmen die Neger volle Deckung. Zu einer bestimmten Uhrzeit mußte ich die Gefangenen ins Lager bringen. Eines Tages, wir waren fast am Lager, kam ein Hund, der gejagt wurde, auf uns zugelaufen. Er wurde von den Negern eingekreist und ins Lager getrieben. Die Gefangenen packten den Hund an den 4 Pfoten und zerrissen ihn bei lebendigem Leib.
Am 30.09., meinem Geburtstag, wurde ich aus dem Arbeitsdienst entlassen und mußte am nächsten Tag, am 01.10.1940, in Breslau-Rosenthal zum Inf.Reg 49 einrücken. Ich bin Jahrgang 1920 und in Breslau geboren. Da wir zu viel Rekruten hatten, mußte die Hälfte, zu der ich auch gehörte, nach Brieg (Schlesien) zur Rekruten-Ausbildung (Inf.Reg.49).
Bei Putz- und Flickstunde mußten wir auch am Samstag in unserer Unterkunft Flur und Gebäude reinigen. Unsere Gruppe wurde eingeteilt, im 1. Stock den langen Gang zu reinigen. Die anderen haben den langen Gang geschrubbt, ich mußte einen Eimer Wasser vom Klo holen und den anderen Eimer mit dem Schmutzwasser in die Pinkelrinne ausgießen. Wir waren noch nicht mal mit dem halben Gang fertig, da warteten die 3 Mann, die das Klo reinigen mußten, bereits auf die Abnahme durch den U.v.D. Mich hatten die "3 vom Klo" schon gewarnt, ich solle das Wasser am Ende der anderen Klo Seite in die Toilette schütten, doch der Weg dahin war mir zu weit.
Ich wollte das Schmutzwasser dort ausschütten, wo die 3 Kameraden auf den U.v.D. warteten. Einer von ihnen wollte mich nicht reinlassen und stieß mir mehrmals gegen die Brust. Ich ließ den Eimer fallen und versetzte ihm mit der Faust eine in den Magen und eine aufs Auge. Er flog in die Ecke der Toilette. Zur Erläuterung muß ich erklären, dass ich Boxmeister von Breslau, Gau- und Gebietsmeister war. Dieser Vorfall hatte sich natürlich in der Kompanie herumgesprochen. Danach warnten mich die Kameraden und sagten, Du bekommst auch noch Deine Abreibung. Ich erfuhr, daß einer der beiden, die ich verprügelt hatte, und sein Bruder, der in der Nachbarkompanie diente, bekannte Ringer waren. Ich ging den beiden so gut wie es ging aus dem Weg.
Als ich an einem Sonntag eine Gaststatte verließ, führte mich der Weg an einer großen Toreinfahrt vorbei. Plötzlich sprangen zwei Manner auf mich zu und schlugen mich zusammen. Es war eine dunkle, kleine, enge Gasse. Sie schlugen mich von einer Hauswand zur anderen. Ich wehrte mich, so gut ich konnte. Plötzlich kamen Zivilisten um die Ecke und sahen, wie wir uns schlugen. Die Angreifer wollten nicht erkannt werden und rannten weg. Ich ging nach Hause und betrachtete mich im Spiegel. Da ich mein Gesicht bei der Auseinandersetzung gut gedeckt hatte, konnte ich keine Lädierungen erkennen. Mein Körper hingegen war voller blauer Flecke und Blutergüsse. Ich ging zu meinem Uffz. und Ausbilder und zeigte ihm meinen Körper; daraufhin teilte er mich am anderen Morgen zum Innendienst ein. Der eine Angreifer in unseren Zug hatte noch ein blaues Auge und sein Bruder in der anderen Kompanie sah, daß mir weiter nichts passiert war.
Nach ein paar Monaten kamen wir Rekruten nach Frankreich zum Inf.Reg. 49. Wir dachten, dass wir aufgeteilt und alle Soldaten werden wurden. Wir sind nochmals in zwei Rekrutenzüge zusammen gefaßt worden und haben auch so unsere Rekrutenzeit beendet. Mein Gefreiter war in Schlesien ein bekannter Schriftsteller und Journalist. Er hieß Christof Gustav Kergel. Sein Vater war auch Schriftsteller und schrieb für die Zeitung für Soldaten, die jeden Monat einmal verteilt wurde. Mein Hauptfeldwebel hieß Sachse, kam auch aus Sachsen wie auch mein Zugführer Nauke; die beiden waren noch strenger im Dienst als die alten Preußen.
Wir Rekruten wurden auf die Züge und Gruppen aufgeteilt. Ich möchte noch erwähnen, daß ich von 1940 an bis 3 Wochen vor Kriegsende in der 11. Kompanie, später im Leichten Jäger 3- Bataillon IR 49 Breslau war. In Frankreich machte unsere Kompanie alle 14 Tage zur Übung einen Marsch von 30 km mit Waldkämpfen. Bevor wir nach Rußland kamen, wurde unser Regiment auf dem Truppenübungsplatz zu einer großen Übung zusammengezogen. Hin wurden wir mit Lastwagen gefahren, zurück mußte unser Bataillon die 72 km bis zu unserem Quartier an einem Tage marschieren. So viele km an einem Tage bin ich noch nicht mal in Rußland gelaufen.
Früh um 6 Uhr sind wir abmarschiert und vor unserer Kompanie war die schwere SMG Kompanie, die zuerst den Fliegerschutz übernahm. Nach 20 km mußten wir, die 11. Kompanie, den Fliegerschutz übernehmen. Natürlich mit voller Kriegsausrüstung. Ich mußte mein MG und die Gewehrschützen mußten außer ihrer Ausrüstung noch eine Kiste mit Munition tragen. Nach weiterem 20 km übernahm eine andere Kompanie den Fliegerschutz. Wir machten 2 Mal Pause um auszuruhen. Unser Hauptmann Greve, ritt auf seinem Pferd immer neben der Kompanie auf und ab, und paßte auf, daß sich keiner von uns am Verpflegungs- oder Munitionswagen, die unsere Pferde zogen, festhielt. Die Leute, die sich festhielten am Wagen, bekamen 3 Tage Bau. Abends um 22 Uhr sind wir in unserem Dorf eingetroffen. Als es hieß, die Kompanie kann wegtreten, konnten wir kaum noch laufen.
Unsere Gruppe wohnte in einem Sommerhaus mit 2 Betonstufen. Vier Mann haben sich auf die Treppe gesetzt und sind dann auf allen Vieren in die Stube hinein gekrochen. Ein paar Monate später kam unser Regiment an die polnisch-russische Grenze, ungefähr 30 km von Grothno. Wir hatten jeden Tag Ausbildung, vor allem mit Waldkämpfen. Ein paar Tage lang mußten wir auch den Artilleristen helfen, ihre schweren Geschützte in Stellung zu bringen. Die Übungen fanden im Wald statt.
Öfters mußten wir nackt einen Fluß mit voller Ausrüstung überqueren. Der Fluß war ungefähr 15 m breit und 2 - 3 m tief. Da ich einen Lehrgang als Pionier hinter mir hatte und auch Freischwimmer war, wurde ich als Rettungsschwimmer eingeteilt. Ich mußte nackt mit einem Tau oder Seil ins Wasser, das eine Ende des Seiles an einem Baum befestigen, mit dem anderen Ende über den Fluß schwimmen und es am Ufer an einem anderen Baum anbinden. Dann hieß es, fertig machen zum übersetzen. Jeder legte seine Zeltbahn auf die Erde und breitete sie aus. Wir brachen 4 Aste ab, 40 cm lang und 6 cm dick, legten sie auf die Zeltbahn, darauf legten wir Stiefel, Munition und die Uniform. Die Zeltbahn wurde überkreuz gefaltet und mit Knoten zusammengebunden. Das Gewehr wurde unter dem Knoten der Zeltbahn durchgestoßen. Dann hieß es, fertig machen zum Übersetzen. Die Schwimmer packten ihr Bündel, schoben es ins Wasser und stießen es schwimmend auf die andere Seite. Die Nichtschwimmer mußten sich mit dem Bündel am Seil halten und sich auf die andere Seite ziehen. Der erste Zug war ja ein Drama. Die Kameraden haben ganz schön Wasser geschluckt. Ich hatte mehr Angst als die Nichtschwimmer. Ich sollte sie ja retten, wenn sie abgetrieben waren, aber ich war kein guter Schwimmer. Es klappte von Tag zu Tag besser. Einen Tag vor dem 22. Juni in den Abendstunden mußte die Kompanie antreten. Hauptmann Greve sagte, daß es morgen früh losgehen sollte.
Die genaue Uhrzeit sollte vor dem Angriff bekannt gegeben werden. Er ließ die erste Reihe der 5. Kompanie 2 Schritt und die 2 Reihe 3 Schritt vortreten. Sollstärke der Kompanie war damals 220 Mann. Per Handschlag verabschiedete er sich von jedem Soldaten. Unsere Kompanie mußte für den nächsten Tag 2 Stoßtruppgruppen aufstellen, zu je 18 Mann. Ich wurde als MG Schütze in den ersten Stoßtrupp eingeteilt. Unser Trupp sollte 2 kleine Holzbrücken einnehmen und sichern, damit unsere leichte Flak und SMG rüber konnten.
Der zweite Stoßtrupp sollte eine Försterei stürmen, die mein Zugführer Günzel nehmen sollte. Als es los ging, haben die Russen ein böses Erwachen gehabt, denn es wurde Trommelfeuer von unsere Seite auf deren Stellung geschossen. Die Luftwaffe bombardierte die Stadt Grothno, und die Kaserne der Russen wurde von unserer schweren Artillerie beschossen. Unser Stoßtrupp ging auch vor. Wir mußten links von einem Waldweg im Wassergraben vorgehen. Als wir die 2 Holzbrücken hinter uns hatten, war der Graben zu Ende und wir mußten also auf der Wiese in Stellung gehen. Wir haben sofort Feindfeuer bekommen. Die Russen lagen ungefähr 80 m vor uns im Schützengraben, der gut ausgebaut war. Ich lag ganz allein auf der Wiese. Die Kameraden, die vor mir auf die Wiese gekrochen waren, lagen alle tot da. Vor mir war ein russisches SMG Maschinengewehr, das vorn eine Panzerplatte hatte. Ich schoß mit meiner Maschinenpistole und merkte, dass ich jedes Mal traf, aber die Geschosse prallten von der Panzerplatte ab. Es wurde auch mit Leuchtspur geschossen. Die Russen nahmen mich aufs Korn.
Ich merkte, dass ich mehrmals getroffen wurde. Meine Gasmaske, die Zeltbahn, das Kochgeschirr und die Feldflasche wurden mehrmals durchsiebt. Hinter mir war eine kleine Mühle. Ich kroch zurück, spürte einen Schlag im rechten Schulterblatt, drehte mich und lag in den kleine Mühle. Die Russen konnten mich also nicht mehr treffen. In der kleinen Vertiefung merkte ich, dass neben mir ein Kamerad vom Stoßtrupp lag. Er war besinnungslos. Der Schuß war am rechten Ohr durch den Stahlhelm hindurch in den Kopf eingedrungen und links aus dem Stahlhelm wieder heraus. Der Helm war an den Kopf fest geschossen. Er kam für Sekunden öfters zu sich; wir konnten uns unterhalten. Von weitem hörte ich Rufen, die Kompanie zieht sich zurück und greift weiter von rechts an. Bei uns wurde es ganz still. So blieb ich mit dem Kameraden ganz alleine. Wir lagen noch ungefähr eine halbe Stunde da. In dieser Zeit hat er 8 Mal die Besinnung verloren. Als er wieder zu sich kam, sagte ich, wenn du wieder zu dir kommst, nehme ich dich unter die Schulter und wir laufen zurück über die kleine Anhöhe, dort ist auch ein Waldweg. Wir zogen los und hatten viel Glück, denn wir kamen, ohne dass ein Schuß fiel, oben an. Schon kam der erste Sankawagen von der Front mit Verwundeten an. Mein Kamerad wurde mitgenommen, Richtung Hauptverbandsplatz.
Nach 150 m habe ich meinen Zugführer, der den anderen Stoßtrupp führte, am Waldrand sitzend und verwundet, alleine angetroffen. Ich sprach ihn an. Er sagte, dass er von einem Baumschützen getroffen worden sei. Er hatte im rechten Bein 5 Durchschüsse, die kleine Zehe war ihm im Stiefel abgeschossen worden. Außerdem hatte er einen Kopfschuß. Die Kugel war oben in den Stahlhelm eingedrungen, durch den Nacken gegangen und in der linken Schulter stecken geblieben. Er sagte, dass er auf den nächsten Sankawagen warten wolle. Ich sah, dass sein Gesicht und seine Hände ganz blau anliefen. Ich ging weiter und sagte zu mir, das überlebt er nicht. Der Stabsfeldwebel brauchte eigentlich nicht an die Front, aber er hatte sich freiwillig gemeldet, er wollte auch Orden und Ehrenzeichen haben. Er war ein guter Zugführer.
Ich erreichte den Hauptverbandsplatz und wurde auch gleich verarztet. Ich kam mit dem ersten Verwundetentransport per Bahn nach Kühlungsborn in der Nähe von Rostock ins Lazarett. Dieses lag direkt an der Ostsee. Meine Schulter war von einem Dum-Dum-Geschoß getroffen worden. Der Einschuß war normal, aber der Ausschuß hatte meine Schulter zerrissen. Es war eine Wunde von 4 cm Breite und 14 cm Länge.
Nach 5 Wochen bekam ich 14 Tage Heimaturlaub. Danach mußte ich mich in Rosenthal bei meiner Einheit 49 zur Genesungskompanie melden. Unsere Fronttruppe wurde aus Rußland herausgezogen und kam nach Frankreich, nach Besançon in die Alpen, am 3-Länder Eck mit der Schweiz und Italien. Dort wurden wir von der Infanterie und leichten Gebirgsjäger geschult. Wir waren nicht mehr das Infanterie- Bataillon, wo ich jetzt war, also die 11.Kompanie, sondern die 13. Jäger 49. Wir wurden in den französischen Alpen ausgebildet und lernten auch Ski fahren. Uns wurde ein Leutnant, der von den Hochgebirgsjägern aus Österreich kam, zugeteilt, der uns ausbildete. Nach der Ausbildung kamen wir wieder nach Rußland.
Mit dem Güterzug ging es in den Süden Rußlands. Zuerst in Richtung Stalingrad. Hitler hatte, sagte die Divisionen müßten selbst mit Stalingrad fertig werden, und so marschierten wir Richtung Krim. Nur am Sonntag war Ruhetag. Die Regimenter, die schon auf der Krim, Kertsch, lagen, wurden wieder zurück gedrängt. Als wir bei Kertsch ankamen, sollten wir das Regiment 46 und einen Teil der rumänischen Kompanien, die noch in Stellung waren, ablösen. Ein Offiziersleutnant und ich als Melder sollten die Stellung besichtigen und später die Kompanien einweisen. Wir sind durch die Stellung gegangen und haben verschiedene Punkte aufgeschrieben. Als wir zurückkamen, hörten wir, dass wir die Stellung nicht übernehmen, sondern in einem anderen Abschnitt eingesetzt werden sollten. Unser Bataillon hatte verschiede Angriffe durchgeführt und Land zurückerobert. Wir wurden abgelöst und kamen in eine feste Stellung, wir wurden gruppenweise in Holzunterständen untergebracht.
Die Holzbunker lagen in der Erde und ragten nicht heraus. Um den Unterstand herum befand ein Laufgraben. Man konnte also in jede Richtung schießen. Unsere Gruppe war am weitesten links, die einzelnen Gruppen lagen ungefähr 70 m auseinander. Da die Gegend hügelig war, konnte man der anderen Unterstand der anderen nicht sehen. Im Unterstand befand sich eine Gruppe, also 9 Mann und ein Unteroffizier. Es gab zwei Melder, ich war einer davon, und 2 Mann vom leichten Granatwerfer. Fast jeden Tag mußten ich oder mein Kamerad mit den Essenholern oder mit den Munitionsträgern ins Dorf. Wir lagen im flachen Gelände, der Iwan war ungefähr 80 m von uns entfernt auf einem Hügel.
Der Ruße hatte es bald spitz bekommen, dass wir jeden Tag bei Dunkelheit ins Dorf mußten. Wenn er uns auch nicht sehen konnte, so hörte er uns doch, denn es blieb nicht aus, dass manche Kameraden mit dem Kochgeschirr klapperten oder mit den Munitionskästen bei Granatwerferfeuer in Deckung gingen. Wenn der Russe uns bemerkte, verlegte er immer sein Feuer nach vorn. Die Essenträger hatte in jeder Hand 3 Kochgeschirre zu tragen. Bei Feuer haben wir uns hingeworfen und sehr oft kamen wir nur mit 1/4 vollem Kochgeschirr im Unterstand an. Natürlich maulten die Kameraden, wenn die Kochgeschirre fast leer waren. Wenn wir Melder mit den Leuten ins Dorf gingen, schlossen sich die anderen Gruppen vom Zug automatisch an, denn wir mußten bei ihren Unterkünften, den Holzbunkern vorbei. Beim Zurückgehen horte uns der Iwan und veranstaltete mit seinen Granatwerfern einen Feuerzauber. Als wir im Unterstand ankamen, merkten wir, dass 2 Essenträger fehlten. Ein Kamerad aus unserer Gruppe fehlte auch. Sie hatten sich in der Dunkelheit beim Granatwerferfeuer verlaufen und landeten beim Iwan.
Am nächsten Morgen meldete sich der russische Kommissar in Deutsch mit dem Sprachrohr, dass unser Gefreiter sich verlaufen hatte und wir sollten ihn abholen. Der Gefreite war aber noch gar nicht richtig im Unterstand beim Russen, denn wir hörten ihn rufen, Herr Leutnant, es gibt Nudeln mit Backobst und auch 4 Zigaretten. Der Russe rief, kommen Sie rein, ich bin der Kommissar. Der andere Kamerad aus unserem Bunker, der ein neues Sturmgewehr mit 10 Schuß dabei hatte, sollte es ausprobieren, ob es für die Infanterie geeignet war. Das war ein Sturmgewehr! Neue Erfindung! Vor uns, ungefähr 30 m vor der russischen Linie lag ein zerschossene Panzer. Von dort hörten wir ein Wimmern. Der Tag war sehr heiß, und in der Nacht ging das Wimmern weiter. Wir vermuteten gleich, dass es unser Kamerad war, der sich verlaufen hatte. Die Russen hörten das Wimmern auch, aber sie holten ihn nicht, denn sie dachten, es sei eine Falle. Der Gruppenfuhrer meinte, wenn er noch 1 oder 2 Tage draußen liegen bleiben muß, bekommt er einen Wundstarrkrampf und stirbt. Ich als Melder und ein Mann von der Gruppe haben beschlossen, ihn in der nächsten Nacht heraus zu holen!
Wir warteten bis es in der Nacht sehr dunkel war. Dann sind wir zwei mit einer Zeltbahn aus dem Graben gekrochen und Richtung Panzer vorgerückt. Wir hatten Glück, denn unser Kamerad lebte noch. Die Russen konnten uns nicht sehen, denn der Panzer verdeckte ihnen die Sicht. Ich breitete die Zeltbahn aus und wir legten ihn darauf. Kriechend zogen wir ihn Richtung Unterstand. Wir hatten auch Angst vor russischen Leuchtkugeln. Wenn sie uns entdeckt hätten, wäre es aus gewesen. Die Nacht kam mir unendlich lang vor. Ich werde sie nie vergessen. Es war Schwerstarbeit. Mein Kamerad war ein Bauer, er hatte eine Riesenkraft, die er jetzt einsetzen konnte. Nach viel Mühe und Schwitzen sind wir, auf allen Vieren kriechend, schließlich am Bunker angekommen. Wir waren bestimmt 3 bis 4 Stunden draußen gewesen und erreichten mit viel Glück unser Ziel kurz vor Tagesanbruch. Unser Kamerad bekam sofort eine Spritze und wurde nach hinten gebracht.
Es kam der Befehl vom Kommandeur, dass sofort bei Anbruch der Dunkelheit ein Graben, der etwa eine Spatenbreite haben sollte und nur 20 cm tief sein durfte, bis zum nächsten Unterstand ausgehoben werden sollte. Dann sollte weiter gegraben werden, und zwar bis zum nächsten Bunker. Durch diese Maßnahme sollte verhindert werden, dass sich noch künftig noch jemand verlauft. Da wir keine russischen Überläufer hatten, wollte unser Kommandeur wissen, welche feindliche russische Einheit vor uns lag. Unser Kompanieführer bekam den Auftrag einen Spähtrupp von 2 bis 3 Mann zu benennen, der einen Russen gefangen nehmen sollte. Es wurde gesagt, wenn es klappt, bekommt der Spähtrupp Heimaturlaub. Da ich schon lange keinen Urlaub mehr hatte, habe ich mich gemeinsam mit einem Kameraden gemeld.et. Er war derselbe, der mit mir den Verwundeten mit der Zeltbahn geholt hatte.
Rechts von uns lag der Iwan auf der Höhe und links von uns war das Gelände ganz flach. Ich wußte dass der Iwan in der Nacht etwa 60 m vor uns einen vorgezogenen Horchposten liegen hatte. Der Bataillonskommandeur gab den Befehl, dass im Bataillonsabschnitt in der nächsten Nacht, die Uhrzeit wurde noch bekannt gegeben, nicht geschossen werden darf, da der Spähtrupp, also wir, unterwegs waren. Da ich etwas mehr Erfahrung als mein Kollege hatte, sollte ich die notwendigen Entscheidungen treffen.
Wir sind ungefähr 30 m links an dem Horchposten vorbei gekrochen und haben ihn umgangen. Wir lagen also hinter dem Horchposten, mußten uns aber zuerst orientieren, wo das Panzerdeckungsloch war. Als wir es ausgemacht hatten, schlichen wir auf das Loch zu. Wir merkten, dass sich im Deckungsloch nichts bewegte. Die Waffen lagen oben neben dem Graben. Ich zeigte dem Kameraden mit der Hand, dass die Russen schliefen. Wir hatten Glück, denn als wir am Deckungsrand standen, pennten sie noch immer. Mit unserer Maschinenpistole im Anschlag und mit dem Zeigefinger am Mund, weckte ich die Russen, indem ich ihnen mit der MG an die Schulter stieß. Wir ließen die russischen Waffen liegen, denn wir wollten ganz ruhig und ohne zu klappern am Unterstand antreffen. Da wir ja ein paar Wortbrocken der Russen verstanden, fanden wir heraus, dass in 2 Tagen ein Großangriff stattfinden sollte.
Die Gefangenen wurden abgeholt und zum Kommandeur gebracht. Wie ich hörte, hatten wir einen guten Fang gemacht, denn die Russen machten eine ganz wichtige Aussage, doch davon werde ich noch berichten. Am nächsten Tag in der Frühe, ungefähr 50 m vor uns, kam aus einer tiefen kleinen Mulde plötzlich eine weiße kleine Fahne, die an einem Stecken hing, heraus. Gleichzeitig sprang auch ein russischer Soldat aus der Mulde und lief auf uns zu. Immer mehr Soldaten, es waren ungefähr 20, blieben aber in der Mulde stehen. Man konnte sie alle sehen. Ich ging ein paar Meter auf den ersten Russen zu, denn ich dachte, sie wollten sich ergeben. Ich winkte mit den Armen, sie sollten alle rüber kommen. Der Russe winkte auch mit den Armen und bedeutete uns, wir sollten alle zu ihnen kommen. Wir waren etwa 10 m voneinander entfernt. Wir sind uns aber nicht einig geworden, denn keiner von uns oder von den Russen wollte freiwillig in die Gefangenschaft gehen. Er lief mit seiner weißen Fahne wieder zurück und sprang in den Graben. Der Granatwerferführer sagte zu mir, Ernst, denen werden wir mal ein bißchen einheizen. Die Mulde war, wie gesagt, ungefähr 50 m entfernt und der Granatwerfer schießt ab 50 m. Nach 2 Schüssen in die Mulde fing das Wimmern an. Ich sagte, hör auf, die sind doch in guter Absicht gekommen. In der Nacht zogen sich die Russen mit ihren Verwundeten zurück.
Am nächsten Tag fing, wie die Gefangenen gesagt hatten, der Großangriff an. Zuerst wurden wir von der feindlichen Artillerie eingedeckt. 300 m links von uns, es war ja alles flach, bewegten sich russische Panzer in 3-er Reihen, also in Marschordnung, auf uns zu. Sie kamen alle aus eine Vertiefung. Ich zahlte 9 Reihen. Ich dachte, jetzt ist es aus. Sie brauchen nur 10 Panzer durch unsere Stellung fahren zu lassen, machen dann kehrt und die anderen bleiben einfach stehen. Wir sitzen in der Falle und sie konnen uns einzeln raus holen. Ich hatten mich getäuscht, denn es kam alles ganz anders. Plötzlich setzte unsere Artillerie Nebelgranaten ein. In ein paar Minuten konnte man keine 5 m weit sehen. Vor uns und hinter uns war nur Nebel. So etwas hatte ich auch noch nicht mitgemacht. Manche Panzer konnten zurück, aber viele haben sich verfahren. Manche sind sogar beim Troß gelandet. Wir im Graben haben nur auf Schatten geschossen, die draußen herum irrten. In der Nachbargruppe ist ein russischer Panzer mit einer Laufkette in den Graben gefahren und dort stecken geblieben. Das Rohr des Panzers zeigte direkt auf unser MG.
Die Laufkette hatte einen Kameraden, der vor 2 Tagen aus der Heimat gekommen war, unter dem Erdreich begraben. Er war tot. Die Russen im Panzer verhielten sich ganz ruhig. Aber im Innenraum ist es ja sehr eng.
Da unser Regiment zahlreiche Oberschlesier hatte, konnten sie sich mit den Russen unterhalten. Unsere Kameraden forderten die Russen im Panzer mehrfach auf, sie sollten herauskommen, es passiere ihnen nichts. Bald wurde es dunkel. Schließlich wurde den Männern im Panzer gesagt, wenn sie in einer Minute nicht herauskämen, würde der Panzer gesprengt werden. Drei Männer kamen heraus und liefen nach hinten. Der Nebel war jetzt ganz verschwunden. Etwa 10 m vor uns sahen wir 4 Russen tot auf der Erde liegen.
In der Nacht schlichen mein Kamerad und ich uns zu den toten Russen, um deren Brotbeutel und die Waffen zu holen. In jedem Brotbeutel war ein großes Tuch, in welches Brot eingewickelt war, dazu noch ein Fisch, ganz flach, wahrscheinlich eine Scholle, sowie Tabak und Zeitungspapier, womit sich die meisten Russen ihre Zigaretten drehten. Das beiliegende Feuerzeug war ganz einfach, der Docht etwa 30 bis 40 cm lang, aber bei jedem Streich brannte er sicher. Unser Zug hatte einen Tag lang kein Essen bekommen, denn wir wußten ja nicht, um welche Uhrzeit die Russen angreifen würden. Jetzt hatten wir die 4 Brotbeutel mit Verpflegung von den Russen und konnten unseren Hunger stillen.
In den nächsten Tage wurde es etwas ruhiger. Schon wurde herum erzählt, dass wir in den nächsten Tagen für größere Aufgaben vorgesehen seien und bald abgelöst würden. Es wurde gesagt, dass der Vormarsch bei Kertsch am Parpatschgraben weiter gehen sollte. Hinter diesem Graben lagen die großen Bunker, wie der Stalin- und der Molotowbunker. Mein Kompanieführer fragte, wie es mit dem Heimaturlaub meines Kameraden und meinem eigenen Urlaubs sei. Wir hatten keinen Urlaub bekommen. Mein Kamerad bekam das EK II, das ich schon als Gefreiter bekommen hatte. Vom Bataillonskommandeur erhielt ich 10 Tage Urlaub in Jalta. Das Hotel, in dem ich untergebracht war, steht heute noch. In Reiseprospekten wird es für deutsche Urlauber angeboten. In den 10 Urlaubstage habe ich vom Krieg nichts gesehen und gehört; man konnte sich tatsachlich erholen. Soldaten waren zu dieser Zeit in Jalta nicht untergebracht. Nur ein paar Divisionsstäbe gab es.
Als der Urlaub herum war, kam ich wieder zu meiner Kompanie, die in einem kleinen Dorf lag, wo Ruhetage eingelegt werden sollten. Von Ruhe kann man eigentlich nicht reden, denn am Tage mußten wir schlafen und abends holten uns die LKWs ab und fuhren mit uns bis in die Nähe des Parpatschgrabens. Dort mußten wir Laufgräben ausschachten. Frühmorgens wurden wir wieder mit den LKWs abgeholt. Der Deckungsgraben war fertig, und 2 Tage später kam unsere Einheit in die Stellung rein. Von hier aus sollte die Großoffensive für die ganze Halbinsel Krim beginnen.
Am nächsten Tag schon sollte es los gehen. Vorher wurden wir darüber belehrt, dass hinter uns eine neue Waffe zum Einsatz kommen werde, und zwar eine Nebelwerfereinheit. Später nannten wir sie „Stucka zu Fuß". Wenn der Angriff losgeht, sollte zuerst die Artillerie 3 Minuten lang Trommelfeuer schießen. Danach, so dachte man, sollte der Russe den Kopf aus dem Graben nehmen und warten, bis wir Infanteristen angreifen. In diesem Moment sollten auch die Nebelwerfer angesetzt werden. Beim Ein— und Ausatmen sollten die inneren Blutgefäße platzen und Verletzungen hervorrufen. Tausende und Abertausende Soldaten kamen zum Einsatz. Vor dem Parpatschgraben lagen Minen und Spanische Reiter, Drahtverhau.
Der Graben war gut gesichert. Unsere Panzer konnten nicht zum Einsatz kommen, denn er war 2 m tief und 4 m breit. Die Pioniere trugen beim Angriff Holzleitern, damit wir wieder aus dem Graben raus konnten. Auch die Luftwaffe kam zum Einsatz. Es kam mir vor, als sei der Himmel ganz schwarz von deutschen und russischen Flugzeugen. Zahlreiche Flugzeuge wurden abgeschossen und stürzten vom Himmel. Unsere Artillerie hatte vorher auf die Minenfelder geschossen und so konnten wir den Graben stürmen. Der Russe schoß aus allen Rohren Sperr- und Trommelfeuer. Von unseren Ausgangspunkt bis zum Parpatschgraben waren es etwa 150 m. Ich sprang in den Graben. Dort, neben mir, war bereits ein Pionier mit seiner Leiter. Als ich ihn ansah, merkte ich dass der ganze Unterkiefer bis zur Oberlippe weg war. Vielleicht war es ein Geschoß oder ein Granatsplitter gewesen, der ihn den Unterkiefer weggerissen hatte. Ich wollte ihn gerade verbinden, da mußten wir volle Deckung nehmen, denn die Russen konnten mit Panzern von links aus in den Graben schießen. Als wir wieder hoch kamen, war sein Gesicht voller kleiner Kieselsteine. Die Kieselsteine waren in den Fleischfetzen der Oberlippe hängengeblieben. Ich habe ihn schnell verbunden.
Es ist kaum zu glauben, aber in den 10 Minuten hatte unsere Kompanie 3 Züge verloren. Wir waren nur noch einen Zug stark. Plötzlich schrie Hauptmann und Kommandeur Greve, es geht weiter. Unser Bataillon war nur noch ein kleiner Haufen, aber wir stürmten hinter den Russen her, die teilweise aus ihren Stellungen getürmt waren. Hauptmann Greve stürmte als erster vor, links in der Hand hielt er die Karte und darauf lag der Marschkompass, in der rechten Hand hielt er die Pistole. Wir kannten uns gut, denn er war 1 Jahr lang mein Kompaniechef gewesen. Ich weiß gar nicht, ob er in dieser Zeit schon Major war. Ich stürmte rechts neben ihm. Hinter uns war das kleine Häuflein vom Bataillon. Wir kamen wieder an ein Grabensystem. Die Kameraden schlossen auf und so konnten wir den Graben stürmen. Hier gab es nur Nahkämpfe, Mann gegen Mann mit Seitengewehr und Handgranaten. Bei meinem Satz in den Graben sprang ich einem Russen, der dort gesessen hatte, genau auf die Brust. Er sagte in perfekten Deutsch, Kamerad, nicht schießen. Die anderen rollten und rechts neben mir den Graben auf. Ich hatte schon Routine und war ganz ruhig. Ich setzte mich vor den der mir erzählte, dass er 7 Jahre in Dresden Maschinenbau studiert hatte. Er arbeitete in Moskau in einer Fabrik und hatte sich mit dem Oberkommissar gestritten. Deshalb mußte er als Sanitäter an die Front.
Die russischen Sanitäter tragen keinen Waffen, Unsere hatten eine Pistole für den Ernstfall. Er zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, Marke Salem Gold, und bot mir eine an. Ich
sagte, dass ich Nichtraucher bin. Er hatte noch 2 Büchsen Wurst dabei, deutsches Erzeugnis. Er deutete mit der Hand nach hinten. Dort, 50 m weit entfernt, standen 2 Wagons auf Gleisen. Er sagte, die 2 Wagons haben wir vor 2 Tagen von den Deutschen erbeutet. Die Kämpfe im Graben waren beendet, wir hatten reichlich Gefangene gemacht. Der Russe und ich, wir sind auch aus dem Graben gestiegen. Ich sagte zu ihm, nimm deine Kameraden und gehe nach hinten in die Gefangenschaft. Das tat er dann auch.
Der Angriff ging am nächsten Tag weiter. Es hatte den ganzen Tag geregnet. Der Boden war aufgeweicht und die Granattrichter waren voll mit Regenwasser. Dem Russen auf der Flucht ging es genau so schlecht wie uns. Wir jagten ihn 50 m vor uns her. Plötzlich kam ein Wolkenbruch auf uns nieder. Mein Kamerad und ich bauten ein Zelt über einen Granattrichter. Das Wasser schöpften wir mit unserem Kochgeschirr aus. Trotzdem standen wir noch im Wasser. Wir stellten unsere Gasmaskenbüchsen ins Wasser, den Stahlhelm verkehrt herum darauf und setzten uns. Die Waffen waren voller Dreck. Ich weiß nicht, ob sie noch geschossen hätten. Im Morgengrauen ging der Angriff weiter. Die Russen waren immer vor uns. Unsere Feldküche und der Troß mit dem Munitionswagen blieben im Dreck stecken. Es war der 2. Tag, an dem wir kein Essen bekamen.
Zwei Tage später sollten wir wieder eine gut ausgebaute Stellung der Russen stürmen. Die Luftwaffe sollte zuerst die russische Stellung bombardieren, dann sollten wir, die Infanteristen, sie einnehmen. Wir hatten eine genaue Uhrzeit, wenn wir stürmen sollten, und die Luftwaffe auch. Leider bekamen unsere Funker keine Verbindung zu der Luftwaffe. Entsprechend unserer Uhrzeit mußten wir ohne die Luftwaffe angreifen. Wieder standen wir mit den Russen im Nahkampf. Der Kampf war schon fast zu Ende, da kamen unsere Flugzeuge, Ju 37 und 88-bomber, und warfen die Bomben ab, genau auf die eigenen Leute. Bei unseren Angriff und auch durch unsere Stukas hatten wir diesmal schwere Verluste. Die Erde war schwarz und überall loderten Feuer. Die Gruppen waren jetzt nur 3 bis 4 Mann stark. Von meiner Gruppe aus 9 Mann waren nur noch 3 übrig. Der Angriff sollte weiter gehen, aber wer sollte jetzt unsere Munition tragen? Jede Gruppe schnappte sich Gefangene die wir gerade gemacht hatten. Ich nahm mir 3 Gefangene, drückte ihnen die Munitionskästen in die Hand und sie mußten mit uns ihre eigene Reihen angreifen. Wir haben die Gefangenen einfach nicht zurück geschickt. Vorn gingen die 2 MG- Schützen, in der Mitte die 3 Russen und als letzter kam ich. Am Abend kam Ersatz vor uns, und die Gefangenen wurden nach hinten gebracht.
Essen und Verpflegung bekamen jetzt wir auch. Unser Nachschub hatte Schwerstarbeit geleistet. Die Kämpfe gingen weiter. Mich erwischte es wieder. Ich wurde leicht verwundet, bekam einen Granatsplitter in das linke Knie und sollte ins Lazarett.
Ich bin mit einem großen Lastensegler, womit eigentlich unsere Fallschirmjäger transportiert wurden, ausgeflogen worden. Unser Lastensegler wurde von der He 111 gezogen. Wir wurden nach Melitopol aufs Festland gebracht. 14 Tage später kam ich wieder zu meiner Kompanie. In den Heeresnachrichten und Nachrichten aus der Heimat wurde bekannt gegeben, dass die letzten Russen, die bei Kertsch lagen, ihrer Vernichtung entgegen gingen. Es wurde bekannt gemacht, dass noch 2 Höhenzüge und etwas Flachland zu erobern seien. Es wurde auch behauptet, dass noch 2000 Russen ohne schwere Waffen dieses Land verteidigten. Außerdem sollten mehrere Kompanien "Flintenweiber" die Höhenzügen verteidigen. Auch unser Regiment sollte eingesetzt werden. Wir wurden in Marsch gesetzt und haben noch gelästert, dass wir den Weibern mal den Arsch aufreißen.
Aber wir haben uns ganz schön verrechnet. Es waren nicht 2000 sondern 12— bis 15 Tausend Russen in den Höhenzügen in Stellung. Wir haben auf einer Höhe unserer Stellung bezogen. Ich war als MG— Schütze im ersten Glied. Wir lagen alle ganz flach, damit wir nicht gesehen wurden. Hinter mir zahlte ich noch 15 Reihen. Die Panzer und die oben offenen NTW Wagen sollten links vom Meer zu uns stoßen. Hinter den Panzern sollten wir angreifen. Die Panzer kamen. Munition und MG legten wir hinten auf die Panzer. Wir rannten den Berg hinunter und nahmen die ersten Stellungen der Russen. Die 12 Tausend Russen schossen aus allen Rohren. Leichte Flak, SMG und Gewehre hatten sie ja. Als wir die 2. Mulde überrannten, kamen die Panzer nicht auf die letzte Höhe, weil der Berg zu steil war.
Ich war mit meinem Kameraden auf den Berg und konnte das flache Land sehen. Wir lagen 30 bis 40 m vor dem Feind. Als unsere Munition von MG und die Handgranaten verbraucht waren, merkten wir, dass unsere Kameraden am Meer wegliefen und unsere Panzer zum Ausgang der Schlucht flohen. Die Russen machten einen Gegenstoß. Die Russen, die wir überrannt hatten, griffen wieder zu den Gewehren.
Wir beiden liefen den Berg schräg hinunter in Richtung Ausgang der Mulde. Noch beim Zurücklaufen griff sich mein Kamerad ein Gewehr, das oben auf einem Deckungsloch lag, zog die Decke weg und schlug mit dem Gewehrkolben auf den Russen. Ich dachte, Mensch, hat der August Nerven! Denn der Iwan war ja nur 30 bis 40 m hinter uns. Wir hatten unsere Pistolen und schossen auf sie. Die letzten 2 Panzer, vollbesetzt mit Kameraden, rollten heran. Von den Panzern konnte man nichts mehr sehen. Auch der Panzerfahrer hatte keine Sicht mehr. Ich bekam einen Schuß ins linke Gesäß, konnte nicht aber noch im Rennen zu den Kameraden auf den einen Panzer hoch ziehen.
Die Leute, die vor den Panzerfahrer an Ausguck lagen, schrien, mehr rechts! Die anderen schrien mehr Links. So wurde gefahren. Das war kein Rückzug. Es hieß nur: Rette sich, wer kann. Die Mulde war nicht so breit. Da die Panzerfahrer wegen der Kameraden nichts sehen konnten, stießen die beiden Panzer mit ihren Seiten zusammen. Zwei Kameraden wurden von der Panzern zerquetscht und fielen tot auf die Erde.
Die Russen sammelten sich und stürmten plötzlich auf uns zu. Auch diejenigen, die wir überrannt hatten, griffen wieder zu den Gewehren. Es gab hier viele Nahkämpfe. Wir hatten doch mehrere Panzer und NTW in Einsatz, konnten aber trotzdem die zwei Hügel und die Landzunge nicht einnehmen. Unsere Leute wurden also von der Menschenmenge der Russen überrannt. Ich habe schon viele Angriffe und Großangriffe mitgemacht, aber bei diesen Großangriff mußten wir kehrt machen und wir liefen um unser Leben zum Ausgang. Es waren mehrere hundert oder tausend Soldaten, die sich nicht retten konnten. Als die Russen uns überrannten, schossen sie uns ab wie die Hasen. Viele von uns blieben schwerverwundet liegen und die anderen, die sich nicht retten konnten, kamen in die Gefangenschaft oder wurden von den Russen erschossen.
In den Nachrichten 'Kameradschaft ehemaliges Jäg. Reg. 49' die ich bis 1957 erhielt, ist nie etwas von diesem Unternehmen erwähnt worden.
Wir sind wieder bis zu unseren Ausgangspunkt zurück gejagt worden. Auf dem Notverbandsplatz ist mir das Geschoß von der MP aus den linken Hinterteil herausgeholt worden. Mein Kamerad war an linken Unterarm getroffen worden und man nahm ihm den Unterarm später ab, Die leicht Verwundeten kamen wieder zum Troß. Nur 15 Kameraden waren von meiner Kompanie übriggeblieben, und bei den anderen Kompanien im Bataillon sah es nicht anders aus. Ich hätte es gerne gewußt, wie viele Verwundete liegen blieben, und wie viele in Gefangenschaft kamen.
Unsere Generäle telefonierten mit Adolf Hitler persönlich und schilderten die hohen Verluste. Sie forderten, dass sie die Öl— Granaten einsetzten durften. Hitler lehnte ab. Wo die Öl-Granaten einschlagen, verbrennt alles in Umkreis von 25 m. Unsere Einheit kam ins Jailagebirge vor Sewastopol zum Einsatz. Wir waren ja keine Kompanie mehr, sondern haben nur noch Stoßtrupptätigkeiten durchgeführt. Ich kann nur von unseren Bataillon berichten, nicht von anderen, auch nicht vom Regiment 49. Unser Stoßtrupp wurde in der Nähe von Sinover I und II eingesetzt. Hier gab es nur Grabenkämpfe. In den rauen Gebirge hatten die Russen Bunker in die Felsen getrieben und Laufgräben angefertigt. Hier konnten nur Stoßtrupps zum Einsatz kommen. Wie schon gesagt, hatten wir in unserer Kompanie nur noch 15 Mann im Einsatz. Die Stoßtrupptätigkeiten wurden immer härter. Einmal haben wir den Laufgraben der Russen eingenommen, etwas später kam der Gegenstoß und wir mußten den Graben wieder verlassen. Die Kämpfe Kapellenberg, Zuckerhut so wie Sinover I und II sind unvergeßlich.
Bei Kapellenberg war unser Stoßtrupp wieder im Einsatz. Unser Hauptfeldwebel sagte uns, dass 3 Mann vom Stoßtrupp einen Volltreffer bekommen hätten und tot seien. Sie wurden provisorisch mit Erdreich zugeschüttet, damit die Maden nicht so ran konnten, denn wir hatten 40 Grad Hitze, Da ich noch als Verwundeter beim Troß war, bekam ich vom Hauptfeldwebel den Auftrag, bei der Hitze die Kameraden zu bergen und sie zum Troß zu bringen und später zu beerdigen. Ich nahm mir 6 russische Gefangene und weihte sie ein. Wir sägten 3 etwa 3 m lange Äste von den Bäumen ab und gingen damit an die Front, wo unsere Kameraden lagen.
Wir banden uns ein Tuch vor den Mund und schaufelten die toten Kameraden frei. Dort wo der Volltreffer eingeschlagen hatte, da lagen sie auch noch. Bei einem von ihnen fehlte die Hälfte vom Körper. Es stank fürchterlich, denn wir hatten 45 Grad Hitze. Tausende und Abertausende von weißen Maden befanden sich in den Bäuchen der Toten. Die Bäuche krümmten sich wie eine bewegliche Masse. So gut es ging, entfernten wir die Maden mit der Schaufel. Die langen Stangen wurden unter dem Koppelschloß durchgestoßen, und so konnten wir die Toten aus den Granattrichter bergen. Die Beine und Oberkörper hingen zur Erde, denn sie wurden nur durch das Koppelschloß gehalten.
Wir mußten noch ein paar km bis zum Troß marschieren. Unser Stoßtrupp war jetzt nur noch 12 Mann stark. Ich mußte also wieder nach vorn. Wie ich schon berichtete, wechselten wir öfters mit den Russen den Graben. Wir kamen nur langsam voran. Manchmal kämpften auch die rumänischen Antonescu—Verbände mit uns. Es waren Elitesoldaten wie unsere Waffen-SS-Verbände. Die Soldaten, die mit den rumänischen Eliteeinheiten Seite an Seite kämpften, wollte Marschall Antonescu mit dem Kriegsverdienstkreuz auszeichnen, was unser Oberst Jordan so wie Feldmarschall von Manstein ablehnten. Sie wollten das rumänische EK II für uns haben.
Für Sevastopol waren die letzten Tage gekommen. Als wir wieder mal einen Graben und Bunker eingenommen hatten, setzte der Russe sofort einen Gegenangriff. Weil die Übermacht zu groß war, mußten wir uns zurück ziehen. Es wäre sonst keiner von uns am Leben geblieben, denn der MG— Schütze war schwer verwundet und konnte kaum noch laufen. Er stieg aus den Graben, nahm sein MG an die rechte Hüfte und lief schießend auf die angreifenden Russen zu. Er wurde durch mehrere Geschosse getötet. Und wir konnten uns wieder in die Ausgangsstellung zurück ziehen.
In der Nachbar Kompanie war es nicht anders. Kaum waren wir im Graben bei den Russen, so kam sofort der Gegenstoß. Unsere Kameraden mußten sich zurück ziehen, aber es fehlte ein Mann, und zwar der Kompanieführer. In der nächsten Nacht kam er wieder zu seinen Leuten zurück. Er sagte, dass er einen Stollen, in dem sich auch Russen befanden, mit Handgranaten bekämpft hatte. Die Russen waren schon im Graben und er konnte nicht mehr heraus. So hat er sich im finsteren Stollen zwischen die toten Russen gelegt, bis er in der Nacht flüchten konnte.
Wir sind von einer anderen Einheit abgelöst worden und kamen zum Troß. Dort war auch schon der Ersatz für unsere Kompanie eingetroffen. Die Kompanie wurde aufgestellt und dann ging es wieder nach vorn. Ein paar Tage später sollte die stärkste Festung der Welt und die Stadt Sevastopol fallen. Als die Stunde X kam, schoß unsere Artillerie Trommelfeuer und das Eisenbahngeschütz Bertha 84 kam zum Einsatz. Unsere Luftwaffe griff ebenfalls an. Auch der Russe schoß jetzt Trommelfeuer. Es war ein warmer Tag, etwa 40 Grad. Plötzlich fing es an zu regnen. Zum ersten Mal in der Geschichte ist durch ein Trommelfeuer ein Regen entstanden. Und so stürmten wir die Festung. Unsere Kompanie hatte die linke Seitensicherung übernommen und wir sind bis zur Festung zum Meer vorgestoßen. Ich konnte von einer kleinen Anhöhe hinunter sehen in die Kasematten, wo die Kämpfe bereits zu Ende waren. Die Festung und die Stadt Sevastopol waren eingenommen.
Am Meer sind wir dann in Stellung gegangen, denn jetzt war die ganze Halbinsel Krim erobert. Ich ging allein in die Kasematten der Festung und schaute mir alles an. Ich bin aus Neugier ins Offizierskasino gegangen. Als ich im ersten Stockwerk eine Tür aufmachte, mußte ich lachen. Ich blickte genau auf ein großes Gemälde, das die ganze Wand bedeckte. Es zeigte eine Flottenparade, die Hitler gerade abnahm. Hitler stand auf einem Kreuzer, in brauner Uniform, spitzer Lederschildmütze, breitem Koppel, Verwundeten Abzeichen, EK I, und zeigte mit dem Arm den bekannten Gruß. Links von ihn stand der dicke Feldmarschall Göring, mit vielen Orden links und rechts an der Brust, in der rechten Hand den Marschallstab, und winkte. Neben ihm war, auf einem Nachttopf sitzend, Goebbels, der Propagandaminister zu sehen. Goebbels hatte eine Marinemütze mit zwei Schleifchen auf dem Kopf, in der rechten Hand hielt er ein Fähnchen mit Hakenkreuz. Das Bildformat war außerordentlich groß und reichte von einer Wand bis zur anderen und vom Fußboden bis zur Decke. So haben sich die Russen über Deutschland lustig gemacht. Ich habe mir zwei neue Offiziers—Breecheshosen und zwei neue Hemden mitgenommen. Als meine Kameraden das sahen, gingen sie auch hin und holten sich Hemden und Hosen.
Wir lagen direkt am Meer. In dieser Zeit haben ich und meine Kameraden viel Fisch gegessen. Hin und wieder haben wir eine Handgranate ins Wasser geworfen. Nach der Explosion schwammen die toten Fische nach oben. Wir lagen nur wenige Tage an Meer, denn es wurde bekannt gegeben, dass die Soldaten, die den Feldzug mit gemacht hatten, 14 Tage Sonderurlaub bekämen. Natürlich waren unsere Kompanien und das Bataillon auch dabei. Wir mußten bis zum Bahnhof, wo der Sonderzug stand, 50 km zu Fuß gehen. Wir hatten eine Hitze von 51 Grad und mußten mit voller Ausrüstung marschieren. Nach 20 km warf ich als erstes meine erbeutete Hose weg, nach weiteren 5 km das Hemd. So machte ich es, bis ich nichts mehr von der Beute übrig hatte. Meine Kameraden machten es ebenso. Die meisten bekamen Blasen an die Füße und liefen sich wund. Der Sankawagen fuhr vorbei und nahm die Leute auf, die nicht mehr gehen konnten. Sie wurden verarztet und mußten wieder weiter marschieren. Unsere Gruppe hatte die Zugwache bis Breslau Obertorbahnhof zu übernehmen, damit sich keiner von der Truppe entfernen konnte, außerdem war es verboten die Wagons zu verlassen, wenn der Zug stand.
Mein Bruder, der in der Nähe von Breslau bei einem Tischlermeister lernte, schrieb meinem Vater, wenn wir ihn besuchten, sollte ich meine Pistole mitbringen. Da ich zu dieser Zeit MG—Schütze I war, konnte ich die Pistole bis nach Hause und von daheim bis an die Front bei mir tragen. Da mein Bruder am Waldrand beim Tischlermeister wohnte, wollten wir beiden Hasen schießen. Ich nahm die Pistole mit, aber wir kamen nicht zum Schießen. Als mein Vater und ich an Freiberger Bahnhof ausstiegen, winkte die Heeresstreife alle Pistolenträger zu sich. Ich war eigentlich als erster dran, aber drei Unteroffiziere der Luftwaffe mußten weiter zum Hauptbahnhof und drängten sich vor. Mir war das sehr recht. Ich stellte mich hinter sie, nahm meine 38—er raus und leerte das Magazin. Die Munition gab ich meinem Vater, der hinter mir stand. Meine Pistole war vorher geladen und gesichert gewesen. Ich mußte meine Pistole mit Tasche und das leere Magazin abgeben. In den nächsten Tagen sollte ich mich in der Ortskommandantur melden. Zwei Tage vor Urlaubsende meldete ich mich beim Kommandeur.
Ein Hauptmann, Adjutant empfing mich. Ich grüßte höflich und sagte, dass ich meine Pistole haben möchte, da ich übermorgen wieder an die Front müßte. Er schrie mich an, dass ich die Pistole nicht bekäme. In dem Zimmer befand sich ein Wandschrank, der von einer Wand zur anderen reichte. Er hatte keine Türen und so konnte ich die vielen Pistolen und Taschen sehen, es waren mehrere hundert, die da lagen. Als er sagte, der Hauptfeldwebel solle die Pistole anfordern, bin ich auch laut geworden, ohne meine Waffe ginge ich nicht an die Front. Er schrie, dass er mich einsperren lassen und vors Kriegsgericht bringen werde. Ich sagte, sperren Sie mich ruhig ein, dann hat die Front einen Mann und eine Pistole weniger.
In dem großen Raum befand sich noch ein Leutnant, wahrscheinlich ein Adjutant des Hauptmanns. Beide Offiziere waren noch nicht an der Front gewesen. Ich als Gefreiter hatte schon das schwarze und das silberne Verwundetenabzeichen, das silberne Infanterie Sturmabzeichen, das EK Il, die Ostmedaille und das Krimschild. Ich sagte, dass ich morgen um dieselbe Zeit meine Pistole abholen würde, da ich übermorgen an die Front müßte. Mensch, hat der mich angeschrien. Ich wies ihn ruhig darauf hin, dass meine Waffe in Soldbuch eingetragen sei, außerdem müßte ich durch ein Partisanengebiet fahren. Er erwiderte, wenn ich morgen wieder käme, würde er mich einsperren und ich käme vor das Kriegsgericht. Das wiederholte er ein paar Mal. Er sagte zum Leutnant, haben Sie alles aufgeschrieben? und ich fügte hinzu, haben Sie auch geschrieben, warum ich ohne Waffe nicht an die Front fahre?
Am nächsten Tag ging ich wieder hin und sagte, sperren Sie mich ein. Wenn ich jetzt meine Pistole nicht bekomme, melde ich mich heute noch beim Ersatztrupp IR 49 in Rosenthal. Auch sagte ich ihm, ein Hauptfeldwebel in der Heimat hat um 17 Uhr Dienstschluß. Unser Hauptfeldwebel an der Front muß Tag und Nacht für die Kompanie da sein. Auch für die Verwundeten, die er dem Bataillon melden muß, und sogar für die Toten muß er in die Heimat anderen Frauen oder Eltern schreiben. Die Munition und die Verpflegung müssen abends in die Stellung gebracht werden, da hat er doch keine Zeit, meine Waffe anzufordern. Der Hauptmann verhielt sich ganz gelassen und sagte zum Leutnant, geben Sie dem Mann die Pistole und lassen Sie sich die Unterschrift geben. Ein Jahr später sind wir uns wieder begegnet. Er war immer noch Adjutant des Kommandeurs.
Ich kam wieder zu meiner Einheit, die am Ladogasee lag, in der Nähe von Leningrad. Wir lagen gegenüber von Schlüsselburg in Stellung. Im Panzerwerk konnten wir unsere Kameraden, die beim Russen in Gefangenschaft waren, arbeiten sehen. Als nicht mehr geschossen wurde, jagte der Kommissar die Leute aus den Deckungslöchern. Auf unserer Seite hatte der Iwan einen Brückenkopf gebildet. Er lag nur 40 bis 50 m vor uns in Stellung. Unser Abschnitt hieß "Der Finger". In der Mitte hatten wir Minen und Drahtverhaue gelegt. Wir wußten auch, dass der Russe eines Tages unsere Stellung stürmen wird. Ich kam aus der Stellung heraus und mußte mich beim Bataillonskommandeur melden, denn ich sollte mit dem Auto zu einem 4 - wöchigen Unteroffizierslehrgang abgeholt werden. Er sollte in der Nähe von Luga Preskau, im Dorf Jerie—Jerse stattfinden.
Es kam ein Panjewagen mit 5 toten Kameraden an den Gefechtsstand. Ich mußte noch auf die anderen Lehrgangsteilnehmer warten. Vom Kommandeur bekam ich den Auftrag, die Ringe und Wertsachen der Toten in den Unterstand zu bringen. Ich lud die Toten ab und legte sie auf eine Decke. Als ich die Ringe und Eheringe bei 30 Grad Kälte nicht abbekam, sagte der Adjutant, hier haben Sie ein Messer, schneiden Sie ihnen den Ringfinger ab.
Der unterste Dienstgrad beim Lehrgang war Obergefreiter und der höchste Stabsgefreiter. Hier war alles vertreten: Luftwaffe, Panzer, Artillerie, Infanterie. Als der Lehrgang zu Ende war, meldete ich mich beim Hauptfeldwebel Sachse beim Troß. Wir waren ein paar Leute beim Lehrgang vom Bataillon 49.
Der Kommandeur sagte, dass wir Lehrgangsteilnehmer als Führerreserve beim Troß bleiben sollten. Als der Hauptfeldwebel mit den Essenträgern in die Stellung ging, meldete er, dass ich wieder da sei. Der Kompanieführer befahl ihn, schicken Sie mir morgen den Pawlas hierher. Der Hauptfeldwebel meinte daraufhin, dass dies wegen den Bataillonskommandeur nicht ginge. Da rief der Kompanieführer den Kommandeur an und bat um eine Freistellung, da er mich brauchte. Ich war natürlich ganz schön sauer, denn ich wußte, dass wir wieder eine volle Kompaniestärke hatten. Auch an Unteroffizieren und Zugführern fehlte es nicht. Als ich mich im Graben beim Kompanieführer meldete, sagte er, ab sofort sind Sie mein Kompanie Truppführer. Ich erwiderte, dass ich das nicht machen wolle, da wir genügend Gruppen- und Zugführer hätten. Die würden dann sagen, was bildet sich der
Obergefreite Pawlas eigentlich ein. Der Oberleutnant meinte darauf hin, dass ich sowieso bald Oberjäger werden würde und wiederholte, machen Sie das.
Jeden Tag kam Waschwasser nach vorn, und jeder konnte vom Küchenunteroffizier ein Kochgeschirrdeckel voll Wasser zum Waschen und Rasieren bekommen. Der Gruppenführer mußte dem Zugführer melden, dritte Gruppe gewaschen und rasiert. Der Zugführer meldete es mir und ich meldete es dem Chef.
Der Russe wurde immer frecher. Er schaufelte seine Laufgräben direkt auf unsere Stellung zu. Trotz Minen und spanischen Reitern, die vor uns lagen, wollten die Russen in den nächsten Tagen unsere Stellung stürmen. Das hörten wir von einem Überläufer. Fast jede Nacht flogen russische Flugzeuge über unsere Stellung. Sie flogen sehr tief und langsam. Wir nannten sie Raddas oder Nähmaschinen. Wir konnten sie nicht sehen. Durch das Sprachrohr an dem Flugzeug sagte der Russe in perfektem Deutsch: 'Soldaten, lauft über zur russischen Armee. Bringt Brotbeutel, Kochgeschirr und Feldflasche mit. Am Tag gibt es zwei Mal warme Verpflegung und 20 g Tabak und in der Woche drei Mal Geschlechtsverkehr. Kameraden, geht in Deckung, gleich fallen die Bomben'. Er meinte die Handgranaten. Er warnte uns immer, und so gingen wir auch in Deckung, wenn er sagte: 'Jetzt, jetzt'. Unsere Flugzeuge flogen in große Höhe nach Leningrad und warfen in der Nacht ihre Bomben auch ab. Wir hörten nur das Brummen. Jede Nacht leuchteten die russischen Scheinwerfer den Himmel nach Flugzeugen ab. Mehrere Nächte lang zählte ich die Scheinwerfer, und ich kam immer auf 98, aber es müssen 105 gewesen sein. Bei unserem Abschnitt war die Propaganda der Russen schwer auf Draht. Manchmal kam der russische Propagandawagen an der Front entlang gefahren und spielte Zahra Leander Platten. Dabei waren 'Ich liebe dich und du liebst mich; 'Kann die Liebe Sünde sein' usw.
Am nächsten Morgen sollte der Angriff der Russen stattfinden. Zuerst greifen in der Regel die Zuchthäusler die Stellung an, und wenn sie bei uns in den Gräben waren, griff sofort die Infanterie mit ein. Die Zuchthäusler bekamen vorher einen Becher voll Schnaps und Zigaretten. Die schweren Waffen konnten hier nicht eingesetzt werden, da wir ja nur 40 bis 50 m voneinander entfernt lagen. Wir bekamen tüchtig Granatwerferfeuer, dann folgten die Zuchthäusler.
In dem schweren Feuer kam unser Bataillonskommandeur nach vorn, bei der Nachbar Kompanie war der Russe eingebrochen, dort standen unsere Kameraden schon im Nahkampf. Es wurde mit Seitengewehr und Spaten gekämpft. Unser Kommandeur stand auch im Nahkampf mit 2 Russen. Er wurde aber von einen Soldaten gerettet, der 2 Tage vorher aus der Heimat gekommen war. Er sollte später eigentlich dafür das EK I erhalten, bekam aber nur das EK II. Bei unserem Abschnitt kam der Russe mit lautem Hurra, Hurra gestürmt, sprang aber nicht in den Graben, sondern schoß in den Graben hinein. Da sie oben herum liefen, konnten wir sie wie die Hasen abschießen. Als der Kampf zu Ende war, ist mein Kompaniechef mit mir durch die Stellung gelaufen und wir haben gefragt, wer alles verwundet ist. Dabei sahen wir einen Iwan, der mit Erdreich zugeschüttet war, sein linker Arm hing in den Graben hinein. Der Chef sagt, gehen Sie zurück und holen Sie einen Spaten. Ich habe schon geahnt, was er wollte. Ich brachte ihm den Spaten und er schlug dem toten Russen den Arm ab und warf ihn aus dem Graben. Wir hatten ein paar Leichtverwundete, aber oben lagen nur toten Russen. Da wir unsere Stellung halten konnten, kam die feindliche Infanterie nicht zum Einsatz.
Der Russe ist in der Nähe von Mga links und rechts an der Rollbahn an verschiedenen Fronten durchgebrochen und konnte die Stellung auch halten. Unsere Einheit kam ans Gleisdreieck zum Einsatz. Dort hatte der Russe einen Flaschenhals gebildet. Wir hatten mehrere kleinere Angriffe durchgeführt und unsere Kompanie wurde immer schwächer. Mit meinem MG kam ich genau ans Gleisdreieck. Neben mir stand das PAK—Geschütz. Von rechts aus dem Wald kam der Iwan und mußte jedes Mal über die Waldschneise, wenn er in den Flaschenhals wollte. Mit dem MG mußte ich die PAK vor der feindlichen Infanterie schützen. Die Männer am Geschütz und wir hatten eine gute Schußposition. Es dauerte nicht sehr lange, da war der Weg, wo die Russen herüberrannten voller Toten. Nach ein paar Tagen war es so schlimm, dass sie in der Nacht ihre toten Kameraden übereinander legten, um so eine Mauer zu bilden, die ungefähr ein Meter hoch war. So sind die russischen Kompanien in gebückter Stellung in den Flaschenhals eingeschleust worden.
Hier hatten wir auch wieder viele Ausfälle. Auch unser Kompaniechef ist hier gefallen. Unsere Einheit wurde heraus gezogen und ungefähr 30 km hinter die Front gebracht. Unser Quartier war ein kleines Dorf. Hier bekamen wir wieder Ersatz. Als unsere Kompanie zum Appell auf der Straße angetreten war, kam unser Ersatz an. Dabei waren 4 Mann, ungefähr 40 Jahre alt. Sie waren noch ein paar Meter entfernt und meldeten sich gar nicht. Unser Hauptfeld schrie sie vor der Kompanie an, Großväter brauchen wir nicht, ab zum Bataillon zurück. Dann las er die Divisionsbefehle vor. Die Division suchte drei Leute, und zwar einen Schlosser, einen Schweißer und einen Feuerwerker. Ich bin ja von Beruf Schlosser und Schweißer und freute mich schon. Er sagte, die Leute, die diese Berufe hätten, sollten drei Schritte vortreten. Ich wollte mich schon melden, aber plötzlich rannte der Hauptfeld auf uns zu und wollte uns in den Arsch treten. Er sagte, das könnte euch so passen, euch vor der Front zu drücken. Ich war auch einer von dem ganz Alten in der Kompanie. Ich mußte in die Schreibstube kommen. Dort sagte er zu mir, nimm dir einen Gefreiten und gehe zum Bürgermeister und richte ein Zimmer für den neuen Kompanieführer ein. Ich habe schon mit dem Bürgermeister gesprochen.
Ich ließ mir ein Bett geben und stellte es auf. Das Zimmer hatten wir gerade fertig eingerichtet, da kam er herein und ich meldete, dass das Zimmer fertig ist. Er stellte sich als Leutnant Graf von Rittberg vor. Er war sehr groß, sehr jung, vielleicht 20 bis 22 Jahre alt. Ich sah sofort, dass er keine Fronterfahrung hatte, denn er trug nur das schwarze Verwundetenabzeichen. Er wollte, dass ich ab sofort sein Bursche sein sollte; was ich mit Nachdruck ablehnte. Er merkte, dass er so nicht weiter kam bei mir. Darum fügte er hinzu, dass ich in den Kompanietrupp käme und nicht viel zu tun hätte, denn ich hätte ja die Melder unter mir. Ich sollte mich nur um ihn kümmern. Schließlich sagte er, lassen Sie sich ein Bett geben, stellen Sie es rechts hin und schlafen Sie in meinem Zimmer. Das Zimmer war sehr klein. In der Mitte war nur ein schmaler Gang zu den Betten.
Das Bürgermeisterhaus war das erste Haus an Ortseingang. Wir konnten beobachten, dass nicht weit entfernt ein Pferd stürzte und liegen blieb. Es mußte erschossen werden. Ich erklärte dem Kompanieführer, dass ich zum Koch ginge und mir ein Stück Fleisch geben ließe. Aber er lehnte meinen Vorschlag ab, mit der Begründung, er wolle nicht mehr haben als die anderen Kameraden.
In den 14 Tagen bis zum nächsten Einsatz erzählten wir uns vieles, denn die Betten standen dicht neben einander. Er berichtete, dass seine Familie zwei Rittergüter gehabt hätte, eines davon hätte der Großvater beim Roulette verloren, das andere, in der Nähe von Potsdam, sei noch in ihrem Besitz. Er redete davon, dass er an der Front fallen möchte, denn dann würde er am Schloß beerdigt werden und bekäme ein Denkmal. Ich war ja auch erst 22 Jahre alt, aber doch ein alter Soldat. Ich habe gespürt, wie er seine Tränen wegwischte. Er tat mir leid und ich antwortete ihm, wenn ich fiele, hätte ich eben Pech gehabt, aber für die Drückeberger in der Heimat, die unsere Frauen vögeln, hielte ich den Arsch nicht hin. Ich machte ihn Mut und von da an nahm er mich überall hin mit. Sein Abendbrot mußte ich ihm immer später servieren. Es war sehr ärmlich, wie unsere Offiziere der Infanterie gegessen haben und genauso war es mit dem Trinken. Ich mußte an die Luftwaffe und die Marine denken. Ob sie wohl auch so eine Schmalkost bekamen?
Genauso war es mit den Beförderungen. Bei den anderen Einheiten wurde gefeiert, auch wenn einer das Ritterkreuz bekam. Unsere Kompanien im Bataillon waren wieder vollzählig und nach 14 Tagen kamen wir an den Wollschow ins Sumpfgebiet. Die Straße war hier zu Ende. Ein Schild, groß wie 2 Stockwerke, türmte sich vor uns auf. Auf ihm war zu lesen: Hier ist die Welt zu Ende, am Arsch der Welt. Links und rechts auf der Tafel war vermerkt, wo die Bataillone lagen. Um zu unseren Stellungen zu gelangen, mußten wir zuerst über Baumstämme, die im Wasser lagen, ca. 50 m durch ein Sumpfgebiet gehen. Danach war der Boden fest. Die Unterkünfte lagen halb in der Erde und halb darüber. Unsere Kameraden vor uns hatten eine künstliche Blende, einen Zaun von Bäumen, aufgestellt. 40 m entfernt begann der Wald in dem der Iwan lag. 80 m weiter, mitten in Wald, hatte er seine Bunker, die sich im Ernstfall gegenseitig Feuerschutz geben konnten. Unsere Beobachtungsstände waren alle über dem Erdboden, denn bei 40 cm Tiefe hatten wir schon Wasser. In der Nacht ging der Kompanieführer mit mir durch die Stellung und kontrollierte die Posten.
Als ein Posten uns nicht das Kennwort abverlangte und nicht "Halt, wer da?" rief, schimpfte der Leutnant mit ihm und fragte, warum er nicht das Kennwort verlangte. Er antwortete, den Leutnant erkenne er schon an Gehen. Er hatte von Krieg eine Beinverwundung und zog das linke Bein etwas nach. Bei dem Ersatz, der aus der Heimat kam, waren nur ein paar Kameraden, die ich kannte. Wenn wir auf Spähtrupp gingen, mußten wir zuerst ein paar Minen räumen, damit wir wieder auf die andere Seite gelangen konnten. Der Schnee lag sehr hoch, 30 bis 40 cm. Den Trampelpfad benutzte unser Spähtrupp genauso wie der Russe. Im Scherz habe ich gesagt, dass sie eines Tages zusammenstoßen würden. Und genauso ist es gekommen. Die Schneemasse drückte die unterste Zweige der Tannen bis zum Boden. Manchmal mußten wir sie hoch heben und durchkriechen.
Wir hatten keine Überläufer, aber unser Kommandeur wollte wissen, welche russische Einheit vor uns lag. Bei uns war nie Ruhe, es mußte immer etwas geschehen Der Kommandeur gab unserem Kompanieführer von Ritterberg den Auftrag einen Stoßtrupp von 18 Mann aufzustellen. Ein Unterfeldwebel, der erst vor 2 Tagen zur Kompanie gekommen war, wurde als Zugführer eingeteilt. Er sollte den Stoßtrupp führen und sich so den Stern zum Feldwebel verdienen. Der Kdr. suchte persönlich die Leute aus, denn er wollte unbedingt einen Gefangenen haben.
Ich wurde als MG-Schütze I eingeteilt. Ich suchte mir aber den II. selbst aus. Wir 18 Mann mußten nach hinten. Ich sah meinen Leutnant an und spürte, dass es ihm nicht recht war, dass mich der Bt1.Kdr. ausgesucht hatte. Auch ich war nicht froh darüber, denn es waren fast alles neue Leute. Beim Btl.-Gefechtsstand übten wir, wie wir an erfolgreichsten einen Bunker stürmen konnten. Der Unterfeldwebel war in Breslau im Musikzug gewesen und hatte keine Fronterfahrung. Der Kdr. und die Offiziere von Btl. warteten an der Blende, bis wir wieder zurück waren. Wir gingen los. Der Unterfeldwebel als erster, hinter ihm ein MP-Schütze, ich als dritter und mein Schütze II als vierter Mann. Wir mußten wieder den Trampelpfad benutzen.
Als wir wieder mal durch das Unterholz stapften, sah der Stoßtruppführer einem Russen ins Gesicht, der auch die verschneiten Zweige hoch heben wollte. Der Unterfeld kroch zurück, machte kehrt, rannte an mir vorbei und schrie: 'Die Russen greifen an.' Dann lief er wieder mit den anderen Kameraden zurück zum Ausgangspunkt. Die Offiziere und die Kameraden, die an der Blende standen, hörten, wie der Unterfeld schrie. Mein Kamerad und ich waren allein gelassen worden. Ich ging vom Trampelpfad links in den tiefen Schnee und entfachte einen Feuerzauber. Ich konnte ja nichts sehen, aber ich habe in Richtung Pfad geschossen. Mir hat es richtig Laune gemacht.
Als die anderen zurückkamen, schrie unser Kdr., warum die anderen schon da wären, wo doch noch draußen geschossen würde. Unser Leutnant, Graf von Rittberg, unser Kompanieführer und der Btl .Kdr. waren ganz schön sauer. Der Stoßtruppführer und der Zugf. wurden sofort abgelöst und mußten sich beim Kdr. melden. Den Unterfeldwebel haben wir nie mehr gesehen.
Unser Regiment und die Nordarmee sammelte Geld für das Rote Kreuz. Von uns Soldaten im Regiment hat jeder sein 10-Tage Soldgeld dem Roten Kreuz gespendet. Da wir von der ganzen Nordarmee am meisten gespendet hatten, bekam jede Kompanie vom Führer einen kleinen Volksempfänger. Das war Weihnachten 1942. Jede Gruppe mußte für eine Stunde zum Gefechtsstand kommen. Dort hörten wir im Rundfunk Weihnachtslieder. Gerade am Heiligabend deckte uns der Russe mit Artilleriefeuer ein.
Am nächsten Tag, dem 25.12., habe ich erfahren, dass der Russe erst 8 Tage später Weihnachten feiert. Wir lagen hier am Wollschow eigentlich in Ruhe. Außer Spähtrupptätigkeiten war hier nicht viel los. Auch der Russe verhielt sich verhältnismäßig ruhig. 14 Tage nach Weihnachten wurden wir von einer Luftwaffen - Felddivision abgelöst. Ich habe gesehen, wie sie anmarschiert kamen. Viele hatten hohe Auszeichnungen. Ich dachte, Mensch, haben wir denn keine Flugzeuge mehr.
Ich habe mit manchen gesprochen, die sagten, dass sie nur eine kurze Infanterieausbildung gehabt hätten. Unser Kompanieführer, der Chef der Felddivision und 2 Melder haben gleich unsere Leute an den Ständen abgelöst. Bei uns war immer nur ein Mann am Stand, bei den neuen waren es zwei. Ich dachte manchmal, warum werden wir denn nicht abgelöst von den Truppen aus Frankreich.
Wir kamen wieder in der Nähe von Krasnowa, Kolpino, Puskin und Kudowa und ich kannte bald die Gegend genau so gut wie meine Heimat Breslau und Umgebung. In der Nähe des Ladogasees, Newa, Gleisdreieck, konnte der Russe ebenfalls große Landgewinne erzielen. Der Flaschenhals wurde von den Russen um ein paar km. erweitert. Auch dorthin kamen wir. Das war Ende Januar, Anfang Februar 1943.
Es war sehr kalt und es schneite oft. Wir hatten keine Unterkunft vorgefunden. Auf eine Wiese schaufelten wir unsere Panzerdeckungslöcher. Wir konnten hier nur 40 cm. tief graben, denn dann kam schon das Grundwasser. Da der Schnee sehr hoch lag, schaufelten wir einfach Schnee um unser Deckungsloch hoch. Ein paar starke Äste legten wir drauf und dann kam noch mal Schnee. Der Russe schoß viel mit Schrapnell in die Zweige, wo sie explodierten, die Splitter gingen nach unten. Wir lagen also in der Sommerstellung, während der Russe sich ungefähr 80 m vor uns in der Winterstellung auf einer Anhöhe in Wald eingegraben hatte. Unser Btl. wollte unbedingt in die Winterstellung der Russen vorrücken. Die Kompanien waren nicht sehr stark. Unsere bestand aus 74 Mann. Wir griffen also die Stellung an.
Der Iwan hatte eine starke Besatzung. Wegen der starken Feuerkraft der Russen, konnten wir den Graben nicht stürmen, im Gegenteil, der Russe machte einen Gegenangriff und wir mußten uns langsam zurückziehen und neu eingraben. Unser Btl. verlor sämtliche Offiziere. Von unseren 74 Mann waren nur noch 12 übrig.
Unser Kompanieführer von Rittberg so wie die Zugf. und Gruppenf. wurden als vermißt gemeldet, Ein Feldwebel der Nachbarkompanie kam in unsere Stellung gelaufen und teilte mir mit, dass er das Btl. übernommen habe. Er zeigte mir links und rechts die Grenze, die ich zu verteidigen hätte. Das Gebiet war etwa 50 m breit, das ein Kamerad und ich halten sollten. Vor mir lagen ein Paar Stacheldrahtrollen. Momentan war die Front sehr ruhig und ich forderte meinen Kollegen auf, mir Feuerschutz zu geben. Ich ergriff den Stacheldraht und baute 30 m vor unserem Loch einen etwa 60 cm hohen Schutzzaun um die Bäume. Bald konnte man den Zaun nicht mehr sehen, weil alles zugeschneit war
Zwei Tage später griff der Iwan im Schneetreiben unsere Stellung an. Es ist kaum zu glauben, was für ein Hindernis unser einfacher Stacheldraht für die Russen war. Die Wintermäntel der Russen waren sehr lang, darum blieben viele von ihnen am Draht hängen und es dauerte eine Zeit, bis sie sich befreien konnten. Wie in Zeitlupe stiegen sie über den Draht. In dieser Zeit konnte ich mein Maschinengewehr einsetzen. Zwei bis drei Meter vor meinem Deckungsloch blieben sie liegen. Als der Kampf zu Ende war, ging ich zum Sanitätsarzt, der ein paar Meter hinter uns lag. Meine Knie waren dick angeschwollen. Ich dachte dass ich daraufhin in die Heimat kommen würde. Der Arzt verband meine Knie und meinte, er könne mich nicht nach hinten schicken, da die Ablösung jeden Moment ankommen würde. Die Kompanie sei ja nur 12 Mann stark, also müßte ich wieder nach vorn. Als ich den Unterstand verlassen hatte, kamen mir die Tränen. Nein, ich habe richtig geheult und geschluchzt. Ich hatte keine Angst vor den Russen, sondern befürchtete, dass mir meine Beine abgenommen werden könnten. Nach ein paar Metern rutschte mir der Verband von den Knien. Es war 40 Grad kalt, der kälteste Tag war sogar 51 Grad Minus im Norden von Leningrad. Im Mittelabschnitt war der kälteste Tag ebenfalls 51 Grad Minus.
Zwei Tage später wurden wir abgelöst und unser Häuflein kam zum Troß. Ich hatte Glück und durfte ein paar Tage später in Urlaub fahren. Als ich den Urlaubsschein von Hauptfeld bekam, sagte er, dass ich mich in Straßburg beim Ersatztruppenteil 49 zu melden hätte. Ich fuhr armselig nach Hause. Im Brotbeutel hatte ich Rasierzeug, Zahnbürste, meine Tagesverpflegung und zwei paar kaputte Socken. Die hatte meine Schwester noch gestopft. Im Breslau bin ich ins Lazarett gegangen und habe meine Beine behandeln lassen. So verbrachte ich meinen Urlaub. Da ich in der Stadt wohnte, konnte ich die Urlauber, die aus Frankreich kamen, sehen, wie sie mit Koffern und Paketen beladen daher kamen. Da konnte man schon neidisch werden.
Als ich mich in Straßburg beim Ersatzbtl. 49 meldete, wurden gerade Leute für einen Trauerzug gesucht. Ein General war an der Ostfront schwer verwundet worden und konnte jeden Tag sterben. Da ich nur 1.66 m groß bin, habe ich mich ein paar cm größer gemacht. Ich war der letzte Mann im Paradezug. Von früh bis spät abends mußten wir Parademarsch und Stechschritt üben. Nach 8 Tagen starb der General. Es war ein langer Weg von der Kaserne bis zum Friedhof. Wir marschierten mit angezogenem Gewehr quer durch die Stadt. Vorn schritt mit blankgezogenen Degen unser Hauptmann. Jetzt ging er auf den Bürgersteig und gab das Kommando Gewehrwechsel. So mußte das Gewehr von rechts nach links übernommen werden. Es hat sehr gut geklappt und ich war stolz dabei zu sein.
Unser Einsatz ging wieder Richtung Rußland. Drei Tage lang lagen wir in Warschau im Güterbahnhof, denn zuerst mußten die Waffen und Munition an die Front. In dieser Zeit konnten wir das Judengetto in Warschau besuchen. Uns wurde gesagt, dass wir mit der Straßenbahn durchfahren könnten, aber keinesfalls aussteigen dürften. Die Juden durften weder aus- noch einsteigen. Auf jeder Straße standen sie zusammen, fast alle trugen lange Bärte.
Ich kam wieder zu meiner Einheit, die ein paar Tage zuvor Ersatz aus der Heimat erhalten hatte. Mein alter Stabsfeld. Günzel, damals mein Zugf., der am ersten Tag in Rußland beim Stoßtrupp verwundet worden war, kam nach 2 Jahren wieder freiwillig an die Front. Auch unser ehemaliger Kompaniechef übernahm wieder die Kompanie. Er war Österreicher und kam von den Hochgebirgsjägern Vorarlberg. Ich mußte wieder zum Zug Günzel als Melder. Unsere Kompanie war jetzt erneut vollzählig.
Wir hörten, dass der Russe 25 vor Mga an der Rollbahn in einer Breite von 6 km durchgebrochen war. Unser Btl. bekam unverhofft den Auftrag für das Btl. 405 die Seitensicherung zu übernehmen. Wir wußten alle, dass wir nicht rechtzeitig zum Beginn des Angriffs dort sein konnten, denn vor uns lagen 20 km Fußmarsch und in drei Stunden sollte der Angriff los gehen. Im Sturmschritt, bei freigemachten Gerät, liefen wir los. Als wir noch drei km von der Front entfernt waren, begann das russische Trommelfeuer. Wir kamen also zu spät zum Angriff. Aber es gelangt uns in die deutsche Ausgangsstellung hinein zu kommen. Es waren weder lebende noch verwundete deutsche Soldaten zu sehen, nur tote Kameraden lagen auf der Erde.
Vor uns befanden sich die Russen. Unsere Btl. waren also im Kessel eingeschlossen. Unsere Kompanie bekam vom Kommandeur den Befehl Verbindung zum Btl. 405 aufzunehmen. Da ich wahrscheinlich die meiste Fronterfahrung hatte, wurde ich zum Kommandeur befohlen. Die Besprechung fand in einer 3 mal 3 m kleinen Holzhütte statt. Tausende von Feldpostbriefen lagen verstreut auf dem Fußboden der Holzhütte. In dieser Hütte waren alle Offz. des dritten Btl. versammelt.
Der Kommandeur wiederholte, ich solle Verbindung zum Btl. 405 aussuchen. Ich wollte dem Btl .Kdr. schon sagen, wir haben doch so viele Uffz. und Feldwebel, warum muß gerade ich gehen. Aber mein Kompaniechef schüttelte den Kopf. Das hieß, ich sollte nichts sagen. Er zeigte mir auf der Karte, wo die Kameraden sein sollten. Ich habe den 6 Männern, die freiwillig mitgingen, erklärt: ich renne als erster und schieße geradeaus, der zweite schießt nach links, der dritte nach rechts und so weiter. Ich ließ mir für alle Leute MPs geben. Der Kommandeur machte noch darauf aufmerksam, wenn ich einen gelben Telefondraht sähe, sollte ich ihn nicht aus den Augen lassen. Ich fand den Draht und er führte zum Btl. Gefechtsstand 505. Daneben sollte das Btl. 405 liegen. Ich habe mir den kleinen Kessel angesehen und festgestellt, dass ein Panzer der Russen alles niederhielt. Vom Gefechtsstand 505 aus sind wir am Telefondraht entlang wieder zurück gerannt. Wieder mußten wir durch die russische Linie, aber wir schafften es und kamen nahe unserer Stellung wieder heraus. Ich machte dem Kdr. Meldung. Er schlug nochmals die Karte auf und sagte, hier an den zwei kleinen Brücken müssen die Kameraden liegen. Ich meldete, dass ich sie gesehen hätte. Er wiederholte, wir müßten unbedingt die Verbindung aufnehmen. Ich mußte also nochmals durch die russische HKL hindurch. Da die ersten 6 Mann nicht mehr wollten, bekam ich neue Leute mit. Diesmal suchte ich mir einen anderen Ausgangspunkt aus. Wir hatten Glück und ich konnte mit dem Kdr. des Btls. 405 sprechen. Er schrieb ein paar Zeilen auf den Meldeblock an unseren Major.
Wieder ging es zurück durch die HKL. der Russen. Diesmal hatte ich 2 leicht Verwundete mitgebracht. Ich machte meine Aussage. Der Kdr. sagte vor allen Offz., mein Kompaniechef solle mich gleich für das EK I vorschlagen. Letzten Endes habe ich für das Unternehmen nichts bekommen. Eine Stunde später fiel mein Zugf., Stabsfeldwebel Günzel und ich wurde 2 Std. später verwundet und kam zum Troß. Mein Kompaniechef fiel am nächsten Tag und einen Tag später wurde er von mir auf dem Friedhof Mga beerdigt.
Jetzt wußte der Kdr. Genau, wo die Einheit 405 lag. Die 13. Kompanie, also wir, übernahm die Spitze. Zugf. Günsel wurde nach vorne beordert, um als erster die russische Stellung anzugreifen. Da ich wußte wie die russische Linie verläuft, mußte ich vortreten. Mein Zugf. und ich sowie sein Zug stürmten als erste durch die feindliche Stellung. Das Btl. kam nach, und als wir durch waren, verteilte es sich in ganzer Breite. Zunächst ging es ganz gut voran. Wir kamen an starken Holzbunkern vorbei, die von einem Zaun aus Eisenbahnschwellen geschützt wurden. Der Kompaniechef, Stabsfeldwebel Günzel, ich und ein paar Leute kletterten über den Zaun. Die Bunker waren etwa 40 m entfernt.
Wir konnten uns bis auf 8 m heranschleichen. Vor dem Bunker waren Holzstämme, die auf einen Meter zugeschnitten waren und 2 m hoch lagen. Ich gab meinem Chef zu bedenken, dass es nicht unsere Aufgabe sei die Bunker zu knacken und außerdem hätten wir die Verbindung zu den Nachbarkompanien verloren. Daraufhin befahl er den Rückzug und lief nach hinten. Aber mein Zugf. schrie, den Bunker räuchere ich noch aus. Ich wußte, dass die Bunkerbesatzungen sich gegenseitig Feuerschutz geben. Aber er nahm eine Handgranate und versuchte um den Holzstoß herumzukommen. Als er einige Schritte gelaufen war, wurde er von mehreren Geschossen getroffen und fiel tot auf die Erde. Ich rannte zurück und meldete es dem Kompaniechef. Da wir keine Verbindung zur Nachbarkompanie hatten, mußten wie diese unbedingt aufnehmen. Gerade als ich aufstehen wollte, kamen russische Jagdflieger und warfen ihre Bomben ab. Ich sah die Erde und die Bäume durch die Luft fliegen, lief einige Schritte bis sich der Kompaniechef über mich warf und mich auf den Boden drückte. Als er merkte, dass ich Gehör und Sprache verloren hatte, schrieb er mir auf den Meldezettel, ich solle zum Troß zurück und die 12 Verwundeten mitnehmen, ich wüßte ja den Weg. Durch den Druck der Bombe war ich ein paar Meter durch die Luft geschleudert worden.
Beim Troß angekommen, schrieb mir der Arzt, ich solle 10 Tage bleiben, und wenn es dann nicht besser wäre, müßte ich nach Riga in eine Spezialklinik. Nach drei Wochen konnte ich wieder sprechen und hören, aber nicht so gut wie vorher. Ich sollte nach Breslau zur Weiterbehandlung.
Der Russe stand bei Leningrad, Krasnowadeis und begann seine Großoffensive. Alle leicht Verwundeten der ganzen Gegend, aus Estland, Lettland, Litauen, wurden an die Front gebracht, wo der Russe durchgebrochen war. Sie konnte viel Boden gutmachen
Auch ich kam wieder zu meiner Kompanie, die aufgefüllt wurde. Als Obergefreiter hatte ich nun wieder eine Gruppe. Von unseren ehemaligen 17 Rekruten waren nur noch 1 Unteroffz. und ich übrig. Ich sollte in 2 Tagen zum Oberjäger befördert werden, aber heute sollte unser Großangriff los gehen.
Ich war mit meiner Gruppe als letzter von der Kompanie eingeteilt und sollte die linke Seitensicherung übernehmen. Es ging los. Wir bekamen sofort starkes Sperrfeuer zu spüren, 2 Gruppen unseres Zuges verloren die Verbindung zur Kompanie und standen im Kampfgelände herum. Ich schrie die Gruppenf. an, dass sie weiter gehen sollten, es brauchte nur eine Granate einzuschlagen, und wir wären alle weg gewesen.
Vor uns lagen 2 Trampelpfade, jeder von ihnen konnte zum Iwan führen. Davor hatten die Gruppenf. Angst. Zu meiner Gruppe sagte ich, auf, Marsch, und ging links dem Pfad nach. Wir rannten durch das starke Sperrfeuer nach vorn und kamen an eine übersichtliche Straße. Ich dachte mir, wenn ich getroffen werde, dann finden sie nur meine Erkennungsmarke. An meinem Schulterriemen hingen nämlich links und rechts je drei Eierhandgranaten. Ein paar Minuten später brauchte ich sie alle. Drüben, auf der anderen Straßenseite, standen 2 große Bunker, nur wenige Meter entfernt. Sie waren 4 mal 4 m breit und 2 m hoch. Weder von meiner Kompanie noch von meinem Btl. war etwas zu sehen.
Mit einem entschlossenen Sprung rannten wir über die Str. und stürmten die vordersten 2 Bunker mit Handgranaten. Die Russen konnten nicht mehr weg laufen und versteckten sich hinter den Bunkern. Schon kam die erste Handgranate der Russen geflogen. Auch ich warf meine, da mußten sie beiseite springen. Dann setzte ich meine MP ein. Vor uns stand ein Geschütz der Russen Ich rief meinen Kameraden zu, Geschütz umdrehen, denn es waren ja 6 Artilleristen dabei. Die Geschütze waren zwar sehr schwer, aber sie ließen sich leicht drehen. Ich hätte gerne auf die fliehenden Russen geschossen, aber die hatten das Geschützschloß mitgenommen.
Beim nächsten Bunker brachten sich 2 Russen schnell in Sicherheit. Auch hier wurden Handgranaten hinüber und herüber geworfen. Ich sah, dass ich einmal von vorn getroffen hatte. Aber auch mich erwischte es. Ich hatte nur meine Unterarme um die Ecke herausgestreckt, aber sie haben mich doch mit ihrer MP getroffen. Ich merkte, dass ein Knochen meines linken Unterarms durchschossen war. Ich hängte mir meine MP um den Hals und rannte zurück. Unterwegs mußte ich mich mehrmals hinlegen. Mit dem rechten Arm gab ich dem linken Hilfestellung. Als die Granaten in meiner Nähe einschlugen, suchte ich Schutz bei einem russischen Panzer, der einen Volltreffer bekommen hatte. Als ich mich rückwärts nach hinten schob, setzte ich mich auf die Oberschenkel eines Russen. Ich drehte mich um und wir sahen uns in die Augen. Er war schwer verwundet, Blut drang aus seinen Ohren und seinem Mund. Ich sah, wie er seine Pistole ganz langsam und mit letzter Kraft hoch nahm, um mich zu erschießen. Aber ich hatte ja meine MP um den Hals hängen und mit einem Feuerstoß aus der Hüfte traf ich ihn in den Magen. Er war sofort tot.
Auf dem Hauptverbandsplatz Mga Puchowo wurde ich verarztet. Dort wurde ich auch fotografiert, und zwar von Kriegspfarrer Prof. Dr. Stelzenberger, Feldpost Nr. 07282. Später schickte er mir zwei Bilder nach Hause. Er lebte noch viele Jahre in Westdeutschland.
Der Verwundetenzug ging nach Riga in Lettland. Alle verwundeten Soldaten wurden dort nackt von den einheimischen Frauen gebadet, Mein Unterarm wurde geröntgt und eingegipst. Dann kam ich nach Bad Suderode in Harz. Dort erhielt ich das Verw. Abz. in Gold. 14 Tage später erhielt ich Post von der Front. Mein Hauptfeldwebel Sachse schrieb, bei den Kämpfen sei ein ganzer Zug in die Gefangenschaft geraten. Die anderen seien gefallen oder verwundet worden. Es sei kaum zu glauben, nur 4 Mann von der Kompanie hätten es überlebt, und zwar die Leute meiner Gruppe.
Sie sagten aus, dass meine Gruppe als erste die Kompaniestellung gestürmt hatte. Ich bekam ein Kuvert. In dem befand sich die Urkunde, dass ich als Obergefreiter das EK I verliehen bekommen sollte. Auch war ein goldenes Verwundetenabzeichen dabei sowie meine Beförderung zum Oberjäger. Hätten meine Kameraden den Hauptfeldwebel nicht erzählt, dass wir vor der Kompanie und den Btl. in der Artilleriestellung der Russen waren, hätte ich auch wieder keine Auszeichnung bekommen. Nach ein paar Wochen in Lazarett, kam ich in die Genesungskompanie 49 nach Breslau. Als man mir im Krankenhaus den Gipsverband entfernte, stellte man fest, dass mein Arm um eine Viertel Umdrehung falsch eingegipst und so wieder zusammengewachsen war. Sofort wurde ich geröntgt und der Arzt bemerkte, dass mein linker Unterarm zwei Mal durchschossen war, wobei der linke Radius zersplittert war. Daraufhin erhielt ich orthopädische Handschuhe.
Während dieser Zeit besuchte ich mehrere Lehrgänge. Mir wurde gesagt, dass ich demnächst stellvertretender Luftschutzoffz . werden sollte. Deshalb mußte ich an einem 4 -wöchigen Lehrgang in Potsdam teilnehmen. Wir waren nur 16 Lehrgangsteilnehmer . Hier mußten wir viel lernen. Vom Unteroffz. bis zum Mayor kamen alle aus Deutschland. Wir wurden zur Luftschutzwache eingeteilt. Es war die alte Kaserne von Friedrich dem Großen, als der noch lebte.
Für die Luftschutzwache wurden immer Losen gezogen. Die Kaserne hatte links und rechts zwei Aussichtstürme. Meist hatten die Offz. Pech und mußten die Brandwache im Turm übernehmen. Wenn die amerikanischen Bomber Potsdam überflogen, dachte ich manchmal, hoffentlich verwechseln die Amerikaner nicht Potsdam mit Berlin. Die moralische Wirkung der Flüge war sehr groß, denn die Flugzeuge flogen ganz tief. Mir kam es vor, als ob ich sie mit der Hand greifen könnte. Wie gesagt, der Lehrgang war recht schwierig und anstrengend. Alle 2 Std. hatten wir einen anderen Lehrer in den Fächern Chemie, Brandschutz, Rettung usw. Als ich zurück zur Genesungskompanie kam, übernahm ich den Luftschutz im Bt1., aber nicht für lange. Unsere Genesungskomp. hatte auch die Ausbilder unter sich und mußte die Leute für die Heeresstreife stellen. Da ich noch keinen Dienst als Ausbilder machen konnte, sagte mir der Hauptfeld., ich sollte mich am nächsten Tag in der Ortskormandantur als neuer Streifenführer melden.
Ich dachte, der Hauptmann, der mich vor 2 Jahren wegen der Pistole angeschrien hatte, wird wohl nicht mehr da sein. Ich meldete mich also in strammer Haltung und sagte, dass ich der neue Heeresstreifenführer sei. Er gab mir die Halskette und erklärte mir, wie ich mich im Ernstfall zu verhalten hätte und dass ich darüber einen Bericht schreiben müsse. Als er fertig mit mir war, meinte er, ich kenne sie doch. Und ich sagte, vor einen Jahr, auch um diese Zeit, wollten Sie mich vors Kriegsgericht bringen wegen einer Pistole. So habe ich ihm gleich den Schneid abgekauft und er wurde im Gesicht ganz rot. Es war Sommer 1943, er war immer noch in der Heimat, hatte keine Auszeichnungen, nur das Kriegsverdienstkreuz. Ich war jetzt Oberjäger, hatte das schwarze, das silberne und das goldene Verwundetenabzeichen, das silberne Infanterieabzeichen, die Ostmedaille EK II und EK I, mein Krimschild und mein Jägerabzeichen an Arm. Ganz offensichtlich war er sehr froh, dass ich über den Fall nichts mehr sagte.
Fast alle 3 bis 4 Tage mußte ich meine Berichte abgeben. Ich suchte mir für die Streife noch einen Gefreiten und einen Obergefreiten aus, beide große Leute. Ich erklärte ihnen, dass sie bis zum Obergefreiten zu kontrollieren hätten, und ich übernähme die Uff z. bis Hauptfeld. und Stabsfeldwebel.
Der Streifenführer sollte eigentlich ein Oberfeldwebel sein, aber da ich einige Orden hatte, teilte mein Hauptf mich ein. In den 6 Wochen, die ich als Streife zugeteilt war, hatte ich viel Ärger. Ich kannte mich in der Stadt gut aus, denn ich hatte wie eingangs berichtet am Neumarkt, wo der Gabeljürgen stand, gewohnt.
Wir wurden öfters von der Bevölkerung geholt, wenn Männer, die auf Urlaub waren, Krach machten. Manchmal wußte ich gar nicht, ob das, was wir taten, nicht eigentlich die Arbeit der Polizei war, aber weil es sich um Soldaten handelte, mußte ich eingreifen. So war es auch, als mir ein randalierender Soldat gemeldet wurde
Ich bin ziemlich scharf rangegangen und sagte zu dem Randalierer, wenn Sie keine Ruhe geben, nehme ich Sie mit und Sie können Ihren Urlaub in Gefängnis verbringen.
Eines Tages wurden wir wieder geholt. Ein Feldwebel, der von der Front gekommen war, hatte seine Ehefrau mit ihrem Liebhaber im Bett überrascht und beide erschossen. Wie ich später hörte, sprach ihn das Kriegsgericht frei und er mußte wieder an die Front.
Als ich beim Adjutant Bericht erstattete war dieser diesmal sehr höflich. Er nahm mich mit ins Nebenzimmer und forderte mich auf, mich zu setzten. Dann schenkte er mir ein Glas Wein ein und wir unterhielten uns. Er erklärte, dass er auch manchmal überarbeitet sei, und als er mich vor 2 Jahren so angeschrien hätte, hätte es noch andere Gesetze gegeben. Er sagte, wir wollen alles vergessen und winkte ab. Ich erwiderte, so leicht kann ich das nicht vergessen. Er meinte noch, dass er viele Offz. der 49 kenne, auch namentlich. Ich mußte ihn aber darüber aufklären, dass viele von ihnen nicht mehr lebten.
Bei einer anderen Streife wurde ich wieder einmal gerufen. Da hatte ein Uffz. von der Artillerie, der aus Frankreich auf Urlaub war, den Liebhaber seiner Frau erschossen. Ihr hatte er nichts angetan. Ich nahm ihn fest und fragte ihn, warum hast Du nicht alle beide erschossen. Vor dem Kriegsgericht erwähnte dieser Mann, was ich zu ihm gesagt hatte. Einige Tage später sagte mir der Hauptmann, wenn ich wieder einen solchen Fall hätte, sollte ich mich etwas zurückhalten. Der Uffz. kam nach Rußland zu einer Bewährungskompanie. Ich war der Meinung, dass das nicht die Arbeit der Heeresstreife sein könnte, hier müßte doch die Kripo oder die Stadtpolizei eingreifen. Ich mußte wieder zurück zur Genesungskompanie, wurde aber gleich zu den Ausbildern eingeteilt.
Eines Tages rief mich der Hauptfeldwebel, den ich von der Front her sehr gut kannte, in die Schreibstube. Ich sollte Sonderurlaub bekommen, eine sog. Adolf Hitler Freiplatzspende. Das war die Belohnung für das goldene Verwundetenabzeichen. Aus den 12 Familien, wo ich den Urlaub verbringen konnte, suchte ich mir einen Bauern in der Nähe von Gelnhausen aus, denn als Stadtjunge war ich noch nie auf den Lande gewesen.
Bei meiner Ankunft auf dem Bahnhof sah ich mich zunächst vergeblich nach meinem Gastgeber um. Aber gerade als ich in Richtung Bauernhof los gehen wollte, rief er mir zu, Ernst, bist Du das? Ich bejahte und wir begrüßten uns. Er stellte mich auch seine 2 Töchter vor. Wir stiegen alle auf den Wagen und unterhielten uns. Die Männer der Töchter waren eingezogen, und da sie beide einen Bauernhof hatten, gab es viel Arbeit. Am anderen Morgen zeigte mir der Bauer sein Anwesen. Ich lernte auch die Mutter des Bauern kennen. Sie war 83 Jahre alt. Die jüngste Tochter war 20 und wohnte bei ihm im Haus. Ihr Verlobter war in Stalingrad vermisst. Der einzige Sohn war in der Nähe von Leningrad gefallen.
Ich habe dort 14 Tage lang ein schönes Leben gehabt. Alle wollten mich sehen und die Oma hat jeden Tag für mich gebacken. Ich hatte den Bauer eingeweiht, dass ich in 4 Wochen heiraten werde, aber er sollte es niemandem sagen. Jedes Kind und auch die Eltern spielten ein Musikinstrument. Die Mutter spielte Klavier, der Sohn Geige, der Bauer selbst Schifferklavier und die Tochter Flöte. Vom Fenster aus zeigte er mit der Hand auf einen Hügel, wo eine Mühle stand.' Der Müller hat eine schöne Tochter, die rußt Du dir warm halten. Wenn Du nach Hause fährst, bekommst Du bestimmt etwas Mehl.'
Er gab mir sein Fahrrad und ich fuhr zur Mühle. Die Tochter empfing mich, ging in den Nebenraum und rief ihren Vater. Er kam die Wendeltreppen hoch, eine Schnapsflasche in der Hand, die er auf den Tisch stellte. Nach 5 Minuten sagte er, er müsse wieder an die Arbeit, weil morgen Mehl in die Kreisstadt geliefert werden müßte. Er war der einzige Müller am Ort, der andere war eingezogen worden. So unterhielt ich mich mit der Tochter allein. Sie erzählte mir, sie sei BDM Führerin und 18 Jahre alt. Sie war sehr schön, hatte schwarze Haare und 2 lange Zöpfe. Sie fragte mich aber aus, ob ich verlobt, verheiratet sei und Kinder hätte. Als sie dann noch darauf zu sprechen kam, dass sie 6 Kinder haben möchte, 3 Mädchen und 3 Jungen, da habe ich richtig Angst bekommen. Ich konnte ihr doch nicht die Wahrheit sagen und erklärte ihr, dass ich keine Zeit gehabt hätte, die richtige Frau zu finden, da ich mehrfach verwundet war. Schließlich mußte ich gehen weil der Bauer mit mir noch zu seinen Töchtern wollte.
Ein Gefreiter und ich, wir waren die einzigen Soldaten im Dorf. Täglich trafen sich die jungen Mädchen zum Nähen, Stricken und Häkeln in der Dorfkneipe. Dort wurde auch viel gesungen. Drei bis vier Männer waren immer dabei. Ich mußte von meiner Vergangenheit erzählen. Die Mädchen haben mich immer nach Hause gebracht. Das war mir sehr recht und sie gingen erst dann heim, wenn ich in ersten Stock das Fenster aufmachte und 'Gute Nacht.' sagte.
Die Tochter des Bauers wollte an nächsten Tag ein Schwein schlachten und ich wurde eingeladen. Ich habe gesagt, ich möchte dabei sein, wenn es geschlachtet wird, denn ich hatte so was noch nie gesehen. Um 7 Uhr in der Frühe kam der Sohn der Tochter und rief: 'Ernst, das Schwein ist schon tot.' Ich habe mich schnell angezogen und dabei geholfen, das Schwein in Würfel zu schneiden. Wir haben zu Hause nur mit Lebensmittelkarten gelebt. Sie gaben mir das magere Fleisch zu kosten, fast immer nur Kopffleisch. Mehr als ein Viertel Pfund habe ich nicht gegessen.
Mein Bauer und ich mußten viele Familien im Dorf besuchen. im Nachbardorf wurde neben der Bahnstation ein Film gezeigt. Der Gefreiter und ich wurden eingeladen und so sind wir mit 12 Mädchen ins andere Dorf gegangen. Wir haben die ganze Straße eingenommen , denn es gab ja keinen Verkehr.
Als wir wieder Arm in Arm nach Hause gingen, hat jede die andere beobachtet, dass wir keine Dummheiten nachten. Ich wurde wieder nach Hause gebracht. Ich bin etwa 2 bis 3 Mal mit dem Bauern aufs Feld gefahren. Die Pferde gingen mir immer zu langsam, darum trieb ich sie ständig an. Mir hat es jedenfalls gut gefallen in den 14 Tagen.
Dann kam der Abreisetag. Ich verabschiedete mich von allen. Meiner Verlobten schrieb ich, dass sie mich am Hauptbahnhof abholen sollte. Sie sollte auch den kleinen Leiterwagen mitbringen. Die Bauern hatten mir viel mitgegeben. Von meinem Bauern bekam ich 10 Pfund Erbsen und etwas Butter. Vom Müller erhielt ich 10 Pfund Weizenmehl, die Oma hat mir einen Kuchen gebacken. Die Töchter gaben mir 2 lebende Hühner im Karton und ein paar Eier. Ich hatte schwer zu tragen, war froh als ich im Zug saß. Überall im Zug waren Schilder angebracht: hamstern verboten. Ich wurde von Thüringen bis nach Breslau mehrmals von der Heeresstreife kontrolliert. Es half mir, dass auf meinem Schreiben der Vermerk: 'A. H. Freiplatzspende stand.
Am Bahnhof angekommen, wartete schon meine zukünftige Frau. Am nächsten Tag meldete ich mich wieder bei der Genesungskompanie und mußte gleich die Luftschutzbrandwache übernehmen. Ich habe die Leute zur Kontrolle herausgerufen. Die Verwundeten hatten einen Tag vorher je 2 Schnapsmarken bekommen. Ich sagte, dass ich in 4 Tage heiraten werde und ob mir einer die Schnapsmarken von Erich geben würde. Von der 18 Kameraden haben 3 sie nicht mehr gehabt. Einer hatte eine Flasche und so sind wir in die Kantine gegangen. Der Wirt hat einzeln das Gläschen mit Schnaps in die Flasche gefüllt und alle haben mitgezählt. Die Flasche wurde ganz schnell voll.
Bei uns in Breslau gab es kaum Wein, dafür hatten wir viele Schnapsbrennereien und Bierbrauereien. Ich bin gleich in die Brennerei zu den richtigen Leuten gegangen und habe gefragt, ob sie mir nicht eine Flasche Schnaps verkaufen könnten, da ich in 4 Tage heiraten würde. Manche, aber nur wenige, gaben mir nichts, weil sie Angst hatten, Ich würde sie anzeigen. ich war sehr zufrieden, denn ich habe meistens den Schnaps oder die Likörflasche umsonst bekommen.
Bei schönem Wetter sind wir am 4.12.1943 mit einer weißen Hochzeitskutsche zur Kirche gefahren. Die anderen kamen mit dem Auto. Viele wußten nicht, dass man beim Heiraten für 6 Personen mehr Lebensmittelmarken bekam für das Fest. Vor der Hochzeit sagte mir der Hauptfeldwebel, dass ich vom Oberkommando des Heeres nach Frankreich kommen würde, wo die Artillerieoff. zu Infanterieoff. ausgebildet werden sollen.
Gott sei Dank ist es mit Frankreich nichts geworden. Aber drei Tage nach meiner Hochzeit bekam ich den Marschbefehl nach Deggendorf in Bayern zu einer Unteroff.-Vorschule als Ausbilder. Mein Hauptfeld und ich verstanden uns gut. Trotzdem fragte ich, warum ich als einziger von der Ausbildungskompanie weg mußte. Er antwortete, dass geht alles über OKH und er könne nichts machen. Ich war natürlich ganz schön sauer, denn erstens hatte ich gerade erst geheiratet, zweitens traf es meine Ausbildungskompanie und drittens wohnte ich in Breslau und konnte mit der Straßenbahn zum Dienst fahren. Das alles sollte nun vorbei sein.
Als ich in Deggendorf ankam, meldete ich mich beim UVD an der Wache. Das Schreiben, das ich dabei hatte, ging an den Kommandeur. Die Ausbildungsstätte war keine Kaserne, sondern ein großes Haus mit vielen Nebengebäuden. Vor dem Krieg war die Schule ein Heim für geistig und körperlich Behinderte gewesen. Der Wachhabende gab mir einen Gefreiter mit, da ich mich sonst verlaufen könnte. Ich meldete mich beim Kdr. und gab ihm meinem Brief. Ich merkte, wie er seinen Mund verzog, wahrscheinlich dachte er sich, da kommt ein Preuße nach Bayern, als ob wir hier keine Ausbilder hätten. Dann befahl er mir, mich in der 2 Komp. beim Hauptmann zu melden. Er blickte aus dem Fenster und fügte hinzu, die Komp. macht im Obstgarten Pause.
Der Gefreite ging mit. Ich meldete mich beim Kompaniechef, der mir aber mitteilte, dass er keine Ausbilder brauche, der Kommandeur solle mich in die 3. Komp. schicken. Ich sagte zu dem Gefreiten, dass ich das nicht verstehen könnte, der Kdr. wüßte doch Bescheid, in welcher Komp. noch Leute fehlten. Der Gefreiter meinte daraufhin nur, in der 2 Komp. ist kein EK I Träger. Da werden Sie auffallen. In der 3 Komp. sind 2 dabei.
Also meldete ich mich erneut beim Kdr. und der sagte nach einigem Überlegen: gehen Sie in die 3 Komp. Ich mußte mich zuerst bei der Waffen- und Bekleidungskammer wegen meiner Ausrüstung melden. Ein Zivilist, der ein Bein bis zum Oberschenkel im Krieg verloren hatte, gab die Sachen aus. Er merkte gleich, dass ich ein Preuße bin. Die Sachen, die ausgetauscht werden sollten, wurden auf die Erde gelegt. Ich suchte für mich selbst einen Brotbeutel, Feldflasche, Kochgeschirr und Zeltbahn aus. Ich habe vor Wut gekocht. Die Sachen lagen auf einem Brett an der Tür. Ich wollte schon über das Brett springen, und den Mann tüchtig verprügeln. Das tat ich aber dann doch nicht.
Mit einem der Ausbilder habe ich Freundschaft geschlossen. 18,1241943 fuhren alle Unteroff. Vorschüler in Urlaub. Zwei Tage später haben wir Ausbilder Weihnachten gefeiert und am 22.12. konnten wir für einige Tage in Urlaub fahren. Wir feierten im kleinen Saal. Es waren alle Ausbilder vom Btl. dabei. Jeder mußte aufstehen und ein Lied singen.
Zivilisten waren auch eingeladen worden. Alle hatten schon ziemlich viel Alkohol getrunken, da sagte mein Freund plötzlich zu mir, Ernst du bist ja ein Saupreuß und meckerte noch weiter in dieser Art herum. Ich erwiderte, Walter, ab sofort sprich mich nicht mehr an. Es wurde immer lustiger auf unserer Feier. Plötzlich, ehe man sich versehen konnte, prügelten sich die Ausbilder untereinander und auch mit den Zivilangestellten. Ich rückte mit meinem Stuhl an die Wand und schaute mir alles gelassen an. Die Rauferei dauerte nur ein paar Minuten und so schnell sie begonnen hatte war sie auch wieder zu Ende. Der kleine Saal leerte sich, und ich bemerkte einen Zivilangestellten von den Bekleidungskammer, der hinten in einer Ecke lag. Man konnte seine Prothese sehen. Er war betrunken und schlief. Ich hob ihn auf, warf ihn über meine Schulter, trug ihn zur Wache, legte ihn auf die Liege, verlangte von dem Posten Wasser und ein Tuch und wusch das Blut von seinem Gesicht ab. Ich sagte zur Wache, sie sollten nicht sagen, wer ihn gebracht habe. Natürlich hat der TDD am nächsten Tag gefragt.
Beim Essen wurde von der Rauferei nichts erwähnt. Ich merkte, wie mich der Kammerbulle suchte, denn ich bin ihm immer aus dem Weg gegangen. Als ich wieder zum Essen ging, kam er mir entgegen, gab mir die Hand und sagte, danke, du bist doch ein anständiger Preuße. Ich gab zurück, die Preußen können auch anders sein und außerdem sind wir alle Deutsche.
Im Urlaub bin ich in der Genesungskompanie zum Hauptfeld. gegangen. Ich fragte ihn, ob er schon etwas unternommen habe. Er meinte, dass ich über das OKH angefordert worden sei. Ich kam nach Deggendorf zurück. Schon in der Unteroff.— Vorschule waren alle Gefreite. Diese wollten alle Unteroffz. oder Offz. werden. Als sie hierher kamen, hatten sie schon vorher eine gute Ausbildung im H.J. Lager oder woanders erhalten. Ich hatte die Leute so hinzubekommen, dass sie mit zugebundenen Augen Gewehr, MP oder ein MG auseinander nehmen und wieder zusammen setzen konnten. Von Deggendorf oder Umgebung bekam ich nicht viel zu sehen, denn es war Januar und es wurde schon früh dunkel. Wenn die anderen Ausbilder nach dem Dienst in die Gaststätte gingen, habe ich mich immer für den nächsten Tag vorbereitet. Wenn man hier nicht gut vorbereitet war, konnte man ganz schön eingehen.
Drei Wochen später bekam ich vom OKH den Marschbefehl und die Versetzung zur Ausbildungskompanie nach Breslau. Als ich mich beim Kdr. meldete und meine Papiere holte, sagte er zu mir: Sie haben sich hier nicht wohl gefühlt. Eigentlich wollte ich ihm nicht antworten, sondern gleich gehen. Aber er hat mir keine Ruhe gelassen. Schließlich erzählte ich ihm, dass mein Cousin, Jahrgang 1916, in München gearbeitet hätte, dort auch gemustert wurde und von 1937 bis 1939 aktiv eingezogen wurde. Er kam als Preuße in eine bayerische Division, war 5 Jahre Soldat und führte als Obergefreiter zwei Jahre eine Gruppe in Polen und Frankreich, und in Leningrad ist er als Gruppenführer gefallen. Er ist Unteroffz. geworden. Nachdem ich dies gesagt hatte, machte ich kehrt und ging.
In Breslau angekommen wurden wir Ausbilder nach Lüben in Schlesien geschickt. Dort übernahmen wir eine Kompanie Rekruten und bildeten sie aus. Als Gruppenführer habe ich auch hier die Unteroffz.- und Offz.- Anwärter ausgebildet. Unser Hauptmann kam von der Luftwaffe und war strafversetzt worden. Meine Rekruten waren alle große Kerle. Sie kamen in einen Zug. Ich gehörte eigentlich, bei meiner Größe von 167 cm in den 4. Zug. Aber beim Ausmarsch ging ich im ersten Zug in der Mitte, ein paar Meter hinter meinem Kompaniechef. Eines Tages, nach den Ausmarsch, wurde ich auf die Schreibstube gerufen. Mein Chef zeigte mir eine neue Waffe. Das war eine Panzerfaust. Der Kopf war nicht scharf, aber man konnte damit schießen. Er sagte, ich übergebe ihnen die Panzerfaust, Sie tragen sie persönlich und warten bis ich komme. Außer dem Kopf ist alles scharf. Ich muß hier noch was erledigen und komme später rausgeritten. Er fügte noch hinzu, das ist die einzige Panzerfaust im Btl. Ich ging zum Übungsplatz und begann meinen Unterricht. Der Chef kam und kam nicht. Die Gruppenführer und Zugf. hatten schon alles durchgenommen und verlangten die Panzerfaust von mir, damit der Unterricht weiter gehen konnte. Sie gaben mir keine Ruhe und meckerten mich dauernd an. Schließlich gab ich dem Stabsfeldwebel die Panzerfaust, mit den Worten, Sie übernehmen die Verantwortung. Bei der Erklärung der Waffe in einer Gruppe zog dann ein Rekrut den Abzugshebel durch und das Übungsgeschoß, der Kopf war aus Holz, flog in den Waldrand rein. Die ganze Kompanie suchte den Sprengkopf. Da kam der Kompaniechef angeritten und machte mich fertig. Er sagte, wenn wir den Kopf nicht finden, bringe ich sie vors Kriegsgericht. Schließlich haben wir den Kopf doch gefunden. Wenn einer vor dem Rohr gestanden hätte, wäre er bestimmt tot gewesen. Da ich beim Kompaniechef gut angesehen war, ist alles im Sande verlaufen. Wir waren mit der Ausbildung fertig und brachten die Leute mit der Bahn nach Jugoslawien, Kroatien, auf dem Flugplatz. Dort wurden sie von einer Einheit abgeholt.
In Breslau angekommen, mußte ich sofort wieder zu einen Lehrgang nach Brieg, Schlesien. Es war ein Lehrgang der Luftwaffe, bei dem Luftbildkarten lesen gelernt werden sollte. Wir waren nur 15 Mann vom Unteroff. bis Major. Das war mein schönste Lehrgang. Wenn unsere Flugbeobachter den Regiment die Bilder schickten, sollten die Leute Auskunft geben, wo die Panzer oder die Artillerie stehen. Dann konnten Maßnahmen ergriffen werden. Wir mußten öfters nach Karte und Marschkompass laufen. Es wurden immer zwei Mann eingeteilt. Die Ziele wechselten. Einmal war es ein Erholungsheim, ein anderes Mal ein Café oder ein Gasthaus. Um eine bestimmte Zeit wurden wir vom Bus der Luftwaffe abgeholt. Nie brauchten wir zurück zu marschieren. Einen Tag vor unserem Ankunft war ein Ritterkreuzträger mit einer Schulmaschine abgestürzt. Ich habe mir ganz allein den Flugplatz und die Hallen, wo die Flugzeuge standen, angesehen. Ich fragte den anwesenden Offizier, wie es zum Absturz kommen konnte. Er erzählte mir, das ist wie bei der Infanterie. Wenn das MG, das überholt aus dem Magazin auf den Schießplatz kommt und laufend geschossen wird, gibt es auch bei einen alten MG Ladehemmungen, und es muß wieder überholt werden.
Wir wollten alle mal mit fliegen. Es wurden Lose gezogen, weil nur 4 Mann fliegen durften. Der Lehrgang ging zu Ende und ich mußte wieder in der Ausbildungskompanie Dienst machen. Wieder hatten wir einen Rekruten Lehrgang hinter uns. Da hieß es, 80 Rekruten kommen nach Frankreich, Cherbourg, mit ihnen 3 Mann von uns Begleitern, die anderen kommen nach Görlitz, Schlesien. Ich wurde nach Frankreich abkommandiert.
Wir haben die Leute dem Ortskommandanten übergeben. Er rief uns schon von weitem zu, Gott sei Dank, wir bekommen mal ein paar Front erfahrene Soldaten. Wir sagten, wir haben nur die Soldaten hierher gebracht, jetzt wollen wir einen Marschbefehl von hier nach Breslau. Er sagte, Sie bleiben hier. Wir haben uns nirgendwo eingliedern lassen. Wir mußten uns jeden Tag bei ihn melden. Wir sagten, dass wir in einer Ausbildungskompanie seien und auch wieder zurück müssten. Wir bekamen auch mit, dass der Amerikaner und der Engländer in nächster Zeit hier landen wollten. Nach einem Telefongespräch mit unserer Einheit in Breslau konnten wir nach 4 Tagen Cherbourg verlassen. Die Tage haben uns gut getan. Hier gab es alles zu kaufen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Landser und die hohe Führung nicht an die Ostfront wollten.
Wir kamen wieder nach Breslau, Rosenthal. Wir mußten jeden Tag antreten, und zwar in der Genesungskompanie, zur Einteilung. Eines Tages kamen hohe Off z. vom Reg. Groß Deutschland, Berlin. Sie suchten einen Uff z. oder Feldwebel fürs Wachbtl. Ich war ja bloß 166 cm groß, aber mich wollten sie haben. Doch ich habe abgelehnt. Ich konnte es ja nicht besser haben, denn mit der Straßenbahn war ich hier in 10 Minuten zu Hause. Wir Ausbilder kamen nach Trautenau und haben wieder Rekruten ausgebildet. Trautenau liegt im Sudetenland in der Nähe des Riesengebirges.
Das Btl. mußte eines Tages raustreten. Der General Unruh mit seinem Stab, genannt der Soldatenklau, brauchte wieder mal Soldaten für die Front. Er hatte mich schon ein paar Mal in der Genesungskompanie gesehen. Er sagte zu mir, Sie kommen nach Rußland zu ihrer Einheit und melden sich bei der Division beim Stab als ZBV—Mann. Der Hauptfeld sollte mir ein Schreiben mitgeben. Mein Zugf., ein Oberleutnant, der den rechten Unterarm verloren hatte, trug eine schöne Prothese mit Schaltung. Mit der konnte er die Hand einstellen. Er sagte zu dem General, dass er mit seiner künstlichen Hand nicht schießen könne. Der General erwiderte, das brauchen Sie auch nicht, denn Sie kommen in einen Panzer und geben nur Befehle.
Ende Januar 1945 kamen wir alle wieder an die Front. Es wurde ein Zug zusammen gestellt, und ab ging es Richtung Rußland. Die Russen waren ja schon in Deutschland. In Ostpreußen haben sie 3 Kessel gebildet, einen in Elbing, den zweiten bei Braunsberg— Rosenberg Heiligenbeil, den dritten bei Königsberg. Ich befand mich beim zweiten Kessel. Die Russen hatten ihn zugemacht und wir standen davor und konnten nicht reinfahren. In der nächsten Nacht wurde der Kessel für kurze Zeit gesprengt und der Zug konnte reinfahren. Wir bekamen starkes Feuer von der Artillerie und jeder war froh, als wir vom Bahnhof weg kamen. Meine Division bzw. mein Regiment konnte ich nicht finden. Zum Glück lag aber meine Kompanie ganz in der Nähe. Ich meldete mich beim Hauptfeld und zeigte meine Bescheinigung. Ich blieb also als ZBV Mann beim Tross. Früh am selben Tag sagte er zu mir im Vorbeigehen, Ernst, wenn du wieder vorn in den Graben gehst, reiche ich dich sofort zum Ritterkreuz ein. Ich sagte ganz ruhig, Sachse, das habe ich mir schon längst verdient. Etwas später sagte zu mir der Koch vom Troß Ernst, dein Freund ist gefallen. Ich fragte, ob es Walter […] sei. Er nickte. Er wußte, dass wir Freunde waren. Walter hatte 1943 das Ritterkreuz als Oberjäger bekommen und Ende 1944 als Feldwebel das Eichenlaub. Ein paar Monate später ist er, wie schon erwähnt, gefallen. Obwohl wir lange Jahre in einer Kompanie waren, haben wir uns wenig gesehen, weil entweder er oder ich verwundet war.
Ich war im Sommer 1943 bis Januar 1944 Ausbilder gewesen. Drei Mann von Btl. sind eingeteilt worden, um für die Kompanie und das Btl. Quartiere zu machen. Ich gehörte dazu. Für die Fronttruppe gab es keine Ruhepause. Der Kessel war noch sehr groß, man konnte die Kompanie von Osten nach Westen verlagern. Eines Tages bekam unsere Kompanie 8 Mann, welche die Heeresstreife aufgelesen hatte. Sie hatten Ihre Kompanie nicht finden können.
In eineinhalb Stunden sollte ein Großangriff von unserer Seite aus starten. Der Hauptfeld sagte zu mir, Ernst, bringe die Leute im Laufschritt zur Kompanie, bevor der Angriff losgeht. Er sagte, eine Reihe bilden mit 5 Schritt Abstand wegen dem Artilleriebeschuß. Wer weg läuft, sofort den Mann erschießen. Ich bin als letzter gegangen und kam 10 Minuten vor den Angriff bei der Fronttruppe an. Am liebsten wollte mich der Chef der Kompanie da behalten. Ich war noch keine 10 Minuten weg, da schoß der Russe Sperrfeuer. Ich hatte Glück und kam unverletzt beim Troß an. Hier erhielt ich einen neuen Auftrag und einen Brief mit. Ich sollte in einem Schloß, wo eine Gräfin wohnte. Als ich bei Dunkelheit ankam, mußte ich den langen Gehweg bis zum Schloß hinauf. Im großen Empfangsraum kam mir die Gräfin entgegen. Sie sagte gleich zu mir, der Eingang fürs Personal und die Lieferanten ist der Eingang links am Schloß. Mein Hauptfeld hatte mich schon vorher gewarnt, ich sollte höflich sein und nicht aus der Rolle fallen. Ich gab ihr das Schreiben. Sie ließ mich stehen, machte kehrt und ging weg. Die Gräfin schickte mir einen Mann, der sich um mich kümmern sollte. In ein paar Tagen konnte der Russe hier sein, und da mußte man sich so was sagen lassen.
Im Schloß blieb ich 4 Tage. In dieser Zeit habe ich "Mein Kampf" und den 'Pfaffenspiegel' gelesen. Es gab hier ein riesiges Zimmer, in dem waren ein paar Tausend Bücher untergebracht. Das Schloß habe ich mir gar nicht richtig angesehen. Ich wollte mir nicht sagen lassen, ich hatte überall herumgeschnüffelt. Den Aufseher habe ich ganz selten gesehen. Nach dem paar Tagen im Schloß wurde ich von einer anderen Einheit abgelöst. Ich kam zurück zur Kompanie.
Bei unserem Vorkommando war auch von der Nachbarkompanie ein Ritterkreuzträger und Feldwebel dabei. Unser Waffenoffz., der die Munition nach vorn bringen sollte, ist ausgefallen. So mußte ich die Munition nach vorn schleppen.
Zwei Tage vorher hatte der Russe bei Schneetreiben ein großes Dorf gestürmt. Hier hatten sie fürchterlich gehaust. Alle Männer haben alle eingesammelt und in eine Scheune gesperrt, die sie anzünden wollten. In dieser Zeit haben sie alle Frauen vergewaltigt. Sie verlangten Wodka, Silber und Gold. Rußische Flugzeuge warfen Handzettel ab, in denen Stalin sagte, alles was ihr erobert, gehört euch, auch die Deutsche Frauen sind eure Beute. Wieso kann so ein Staatsmann solche Befehle geben?
Unsere Einheit hat im Morgengrauen bei Schneetreiben das Dorf angegriffen und die Russen sind fluchtartig, ohne sich groß zu verteidigen, halb besoffen und nur mit Hemden bekleidet, ausgerissen. Acht Russen haben sich auf einem Heuboden versteckt. Sie konnten nicht mehr fliehen.
Wir drei vom Vorkommando haben die Munition nach vorn gebracht. Als ich in ein Haus rein kam, saß eine Familie mit dem Rücken zur Wand, alle hatten sich die Pulsadern aufgeschnitten. Ich holte sofort den Sanitäter. Der Russe hatte die Frau, die Tochter, sie hatte noch die Uniform als Luftwaffenhelferin an und war auf Urlaub da, und die jüngere
13 jährige Tochter mehrmals vergewaltigt.
Die Männer waren nach 24 Stunden wieder raus gelassen worden. Sie mußten für den Iwan arbeiten. Als es wieder hieß, die Männer werden eingesammelt und kommen wieder in die Scheune, wollten sie dasselbe, was sie durchgemacht hatten, nicht mehr erleben. Die Ehefrau und die große Tochter wurden von 5 Russen vergewaltigt. Als sie die 13 jährige nehmen wollten, ging die Mutter dazwischen, schmiss sich den Russen vor die Füße und sagte, nehmt mich dafür. Sie haben die Mutter wieder genommen. Als sie fertig waren, haben sie trotzdem die 13 jährige vergewaltigt. Deshalb wollten sie alle aus den Leben scheiden.
Der Ehemann hat allen die Pulsadern aufgeschnitten, zuletzt hat er das bei sich gemacht. Die 8 Russen, die nicht mehr weg konnten und die Frauen vergewaltigt hatten, wurden erschossen. Die ersten Frauen trauten sich wieder auf die Straße und erzählten uns alles. Als der Ritterkreuzträger zu den Frauen sagte, da werden aber im Herbst viele Russenköpfe zum Vorschein kommen, da sagten die Frauen, dazu waren sie viel zu dumm. Ich fragte meinen Kollegen, was sie damit meinten. Er sagte, die haben nur die Oberschenkel hingehalten.
Unser Btl. sollte wieder an einer anderen Stelle zum Einsatz kommen. Wir 3 sollten für unsere Kompanie in einer nahe gelegenen Kleinstadt neue Quartiere besorgen. Das Städtchen war wie ausgestorben, kein Landser, kein Zivilist war zu sehen. Am Marktplatz stand ein Hotel, dort wollten wir den Btl. Stab unterbringen. Im ganzen ersten Stock wohnte der Besitzer. Das Städtchen war sehr sauber und sehr schön. Das Hotel war nur 3 Stockwerke hoch. Jeder von uns nahm sich ein Zimmer vor. Ich das Schlafzimmer. Als ich unters Bett sah, bemerkte ich einen großen Koffer. Ich zog ihn hervor und machte ihn auf. Drinnen befand sich noch ein kleiner Koffer. Ich öffnete ihn sofort, er war voller Schmuck. Meine Augen gingen sofort zur Tür und ich dachte, hoffentlich kommen die anderen nicht. Der kleine Ehering ging in den großen rein. Es waren Perlen, Goldringe, Broschen und Uhren. Zuerst habe ich ein paar Goldsachen in meine rechte Hosentasche gesteckt. Ich hatte schon die Tasche voll, da packte mich das Gewissen und ich dachte, du brauchst bloß verwundet zu werden, da hängen die dich noch als Verwundete auf. Als der Rausch zu Ende war leerte ich wieder meine Hosentasche. Ich dachte dabei auch an die Heeresstreife und was passiert wäre, wenn die mich kontrolliert hatten und den Schmuck gefunden hätten. Den Koffer schob ich wieder unters Bett. Plötzlich schoß die russische Artillerie. Ich sah vom Fenster aus, wie die Granate auf der anderen Seite des Marktplatzes einschlug. Es war leichtes Kaliber, aber der Dachstuhl stand sofort in Flammen. Die Artillerie hatte sich eingeschossen und nach etwa 1 Stunde brannte der ganze Marktplatz. Wir verließen das Hotel und bezogen in den einzelnen Häusern am Stadtrand Quartier. Jeder nahm 3 Häuser für seine Kompanie im Beschlag. Wir hatten Hunger und durchsuchten gleich den Keller. Was ich hier sah, ist kaum zu glauben. Der Keller war voller Regale, gefüllt mit Lebensmitteln, Gläsern mit Enten, Hühnern, Fleisch und allen Obstsorten. So war es in jeden Haus. Wir haben jede Menge gegessen. Nachts mußte ich 2 Mal aufs Klo.
Es war Februar 1945. Unsere Einheit wurde dorthin versetzt, wo der Russe durchgebrochen war. Der Kessel wurde immer kleiner und enger. Schade um das schöne Städtchen. Unsere Kompanien waren woanders wieder am Brennpunkt eingesetzt. Wir 3 mußten wieder woanders Quartiere besorgen.
In dem Dorf lag eine Nachschubeinheit, die alle Häuser belegt hatte. Mein Kamerad, der Feldwebel, hatte eine gute Idee. Er sagte zu mir, der Offz. von der Nachschubeinheit ist ein Oberleutnant, gehe rein und stelle mich als Hauptmann vor. In 3 Minuten kommst du dann raus und meldest mir, dass alle Häuser von der Nachschubeinheit belegt sind. Der Feldwebel, der auch Ritterkreuzträger war, hatte eine Jägermütze mit Silberkordel, wie sie ein Offz. trägt. Nach 3 Minuten bin ich raus zum Feld und meldete ihm, Herr Hauptmann, es sind alle Häuser von der Nachschubeinheit belegt. Der Oberleutnant: meinte, da müssen die Gruppen eben zusammengelegt werden. Ich dachte bei der ganzen Aktion an den Hauptmann von Köpenick. Der Oberleutnant machte ein paar Häuser für sich und seine Leute frei. Der Kessel wurde immer kleiner und die Kompanien wurden auch nicht mehr verlegt.
Einige Tage später sollten wir drei vom Vortrupp wieder neue Quartiere für unsere Fronttruppe besorgen. Wir fuhren mit einem Panzerwagen ins nächste Dorf. Die zwei ersten Häuser am Ortseingang schienen mir als Quartiere geeignet zu sein und ich sagte zu den anderen, die nehmen wir. Ich wollte gerade mit Kreide unsere Kompanie- und Bataillonsbezeichnung an die Haustür schreiben, als ich bemerkte, dass zwei fremde Soldaten Heu und andere Brennmaterialien aus der Scheune holten und vor der Haustür aufschichteten. Ich fragte, was soll das, worauf sie antworteten, sie hätten den Auftrag, die Häuser anzuzünden. Ich erkannte, dass es Pioniere von einer Stabskompanie - Division waren. Es war mir ohnehin sofort aufgefallen, dass sie keine Frontpioniere sein konnten, denn sie trugen lediglich das Kriegsverdienstkreuz an ihren Uniformen. Als sie mit ihren Vorbereitungen fertig waren, sagte ich, diese zwei Häuser sind beschlagnahmt und werden nicht angezündet. Ich erklärte dem Feldwebel und den anderen Pionieren, dass die Front zurück verlegt wird und dass der Troß mit Hauptfeldwebel, Koch, Munitionswagen und Verwundeten, die es in jeder Kompanie gibt, Quartiere brauchen. Die Fronttruppe mußte ohnehin draußen im Schnee liegen. Das eine Haus bekamen lediglich der Hauptfeldwebel und die Troßleute. Das andere sollte für die Verwundeten sein. 'Wir sind hier im Kessel, wo keiner rauskommt, da könnt ihr doch die Häuser nicht anzünden'. Ich ging einen Schritt auf den Feldwebel zu und sagte zu ihm: wenn Sie den Befehl geben, dass die Häuser angezündet werden, erschieße ich Sie und den Mann, der das Haus anzündet.
Ich zog meine Pistole und behielt sie in der Hand. Jeder der Pioniere hatte ein Gewehr. Der Feldwebel hatte eine Pistole und außerdem eine Maschinenpistole umgehängt. Ich merkte am Gesichtsausdruck der Leute dass sie mir Rechtgaben aber sie schwiegen. Der Feldwebel erwiderte stur, Befehl ist Befehl. Doch die ganze Situation entspannte sich, als wir in der Ferne die Troßwagen herankommen sahen. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn unsere Leute nicht im richtigen Augenblick aufgetaucht wären. Jetzt bekamen es die Pioniere mit der Angst zu tun, denn sie mußten befürchten, an die Front geschickt zu werden.
Einer von ihnen sagte, Herr Feldwebel, was machen wir mit den Panzerminen? Der Feldwebel sagte: vergrabt sie am Straßenrand. Die Pioniere gruben ein Loch. Als sie fertig waren, legten sie die Minen hinein und dann schütteten sie das Loch einfach wieder zu. Natürlich hatten sie eigentlich den Auftrag, die Minen neben der Straße als Panzerfallen zu verlegen. Insgesamt zählte ich 12 Minen, die vergraben worden war. Als meine Kompanie einige Zeit später bei uns eintraf, machte ich sofort Meldung. Einem verwundeten Offizier, der in der 3. Kompanie das Sagen hatte, zeigte ich, wo die Minen vergraben lagen. Ich meldete den Vorgang an die Kompanie weiter, Die Minen wurden wieder ausgegraben und neu richtig verlegt.
Wie schon erwähnt, haben die Russen 3 Kessel gebildet. Der größte war Königsberg, Ostpreußen, ca. 25 km von unserer Stellung entfernt. Der andere war Elbing, auch nur 20 km von uns entfernt. Unsere Kameraden in Heiligenbeil, Brausberg, Rosenberg sollten nach Königsberg durchbrechen. Ich hatte eine andere Aufgabe erhalten. Ich hatte vom ganzen Btl. die leicht Verwundeten unter mir und mußte jeden Tag morgens mit der Gruppe zur Nachuntersuchung und wieder zurück. Wenn einer geschrieben wurde, ist er am nächsten Tag wieder nach vorn gekommen.
Der Arzt war in Uniform und hatte einen hohen Dienstgrad. Er hatte schon den Ersten Weltkrieg mitgemacht. Er sah aus wie ein Filmschauspieler. Er hatte schneeweiße Haare. Ob er 60, 70 oder 80 Jahre alt war, weiß ich nicht. Er hatte so eine Anziehungskraft und ich beobachtete ihn öfters. Mit der Zeit kannten wir uns gut. Ich habe nur Meldung gemacht, als ich die Leute brachte und sie wieder abholte.
Es kam der Befehl, dass der Troß aufgelöst wird. Alle mußten zum Arzt, auch ich. Entweder an die Front oder zurück in die Heimat. Als alle durch waren, kam ich dran. Mit mir hatte er sich viel Zeit gelassen. Er sprach mit ostpreußischer Dialekt. Jungsche, du hast genug mitgemacht. Dann klopfte er mir auf die Schulter und sagte, du fährst heim zu Muttern und bekommst eine Schiffskarte von mir.
Der Weg zu Muttern, wie er sagte, war noch weit. Als er mir die Karte um den Hals hängte, sagte er zu mir, Jungsche, passe auf dich auf. Als ich erwiderte, dass die Russen in 3 bis 4
Tagen hier sein würden, meinte er nur, ich bleibe hier bei meinen verwundeten Kameraden. Er umarmte mich und hatte Tränen in den Augen. Als er sah, dass auch ich weinte, druckte er mich kräftig an die Brust, machte kehrt und ging in die Kirche, wo er immer seine Untersuchungen durchführte. Er trat hinter den Altar mit Tränen in den Augen, ich habe ihm nachgesehen, aber er drehte sich nicht um.
Königsberg hat sich mit 95.000 Soldaten und Off z. ergeben. Die freien Regimenter der Russen wurden gegen uns eingesetzt. Da wir am Wasser lagen, haben mich die Pioniere mit ihren Sturmbooten mitgenommen. Später kam ich mit einem Fährschiff nach Pilau. Von dort aus ging es nach Swinemünde. Um meinen linken Unterarm trug ich noch eine Schlinge mit Verband. Als ich in Pilau ankam, lief gerade die Gustloff aus dem Hafen aus. Ich hatte eine große Wut im Bauch und dachte, verfluchte Scheiße. Als ich hörte, dass die Gustloff 2 Stunden später von einem russischen Unterseeboot versenkt wurde, war ich natürlich froh, dass ich nicht dabei war. Jetzt suchte ich mir nicht ein großes sondern ein kleines Boot aus. Im Hafen lagen mehrere hundert Schiffe. Alle wollten in die Heimat, aber der Hafenkdr. gab keine Erlaubnis zum Auslaufen. Ich hatte mich erkundigt, aber der Kdr. gab keine Auskunft. Ein Rettungsboot der Luftwaffe wollte nach Swinemünde. An Bord waren ein Oberfeld und 8 Mann. Ich bat ihn, wenn es so weit ist zum Auslaufen, sollte er mich mitnehmen. Er sagte, nein, das Schiff hat ein Leck von einem Meter Durchmesser und ich darf niemand mitnehmen. Das Loch hatte er aber notdürftig zugemacht. Als ich das vierte Mal bei ihm war, sagte er schließlich, komm an Bord, wir fahren im Geleit in einer Stunde aus.
Als wir eine Stunde unterwegs waren, setzte der Motor aus. Die anderen Schiffe fuhren weiter. Auf meiner Frage, warum warten die nicht auf uns, lachte er nur und sagte, wir müssen alleine fertig werden. Er befahl, Rettungswesten anzulegen. Plötzlich krochen 2 Artilleriefeldwebel aus ihrem Versteck und legten auch die Westen an. Bestimmt hatten sie den Kapitän bestochen, damit sie auch mitfahren konnten. Nach einer halben Stunde ging es schließlich weiter und wir sind glücklich in Swinemünde angekommen.
Vom Hafen aus mußten wir alle in die Kaserne. Wir wurden untersucht und bekamen einen Marschbefehl nach Lübeck zu einer Genesungskompanie. Ein Uffz. von der SS, mit dem ich auf dem Zimmer lag, sagte, bis Lübeck sind es ungefähr 120 km. In 3 bis 4 Tagen ist der Krieg vielleicht aus. Er warnte mich noch vor den Alarmkompanien, wie sie damals überall aufgestellt wurden. Er selbst war von einer solchen Truppe wieder aufgegriffen und zurück gebracht worden. Nachdem ich mir seine Erzählungen angehört hatte, habe ich mir ausgerechnet, wenn ich jeden Tag 30 km marschiere, bin ich in 4 Tagen in Lübeck. Da kann mir keiner was sagen. Außerdem fährt kein Zug mehr. Ich sollte jedes Mal mit dem Auto fahren, vor einem Dorf absteigen, das Dorf umgehen und wieder weiter fahren. Ich war also gewarnt.
In Swinemünde setzte ich mich auf einen Lastwagen, der voll mit Flüchtlingen und Soldaten beladen war. Wir hatten fast die Stadt verlassen. Wir fuhren aus der Stadt. Auf halber Strecke stand die SS an der Straße und holte jeden Soldaten vom Wagen runter. Obwohl ich gewarnt worden war, habe ich es falsch gemacht. Es waren ein Hauptmann von der SS und noch 2 Männer, die kontrollierten. Sie schickten alle Landser in einen Gutshof, wo die Kontrolle stattfand. Ich sah in den Hof hinein, da standen mehrere hundert Soldaten. Sie wurden von 4 Soldaten der SS bewacht. Ich bin zum Hauptmann gegangen und habe meinen Marschbefehl vorgezeigt. Als ich das dritte Mal bei ihm war, sagte er, wenn sie noch einmal hierher kommen, passiert was. Der Hauptmann war auch noch nicht an der Front gewesen und die Leute waren ganz gefährlich.
Jetzt, wo er mich gewarnt hatte, hatte ich natürlich Angst. Jeden Tag konnte der Krieg zu Ende sein, und in der letzten Stunde wollte ich meinen Arsch auch nicht hinhalten. Es ging alles hier drunter und drüber. An der Toreinfahrt stand ein Bauer mit einem 3 jährigen Jungen. Der hat alles mitbekommen. Der Bauer sagte zu mir, komm mit. Wir mußten am oberen Ende vom Gutshof vorbei und schon riefen die Posten, hierher, hierher. Der Bauer sagte ruhig, wir gehen Kaffee trinken. Doch er führte mich hinter das Haus und wies auf den Drahtzaun, der 2 m hoch und 50 cm nach innen gebogen war. Er sagte, na, los. Als er mir das ein paar Mal zugerufen hatte, bin ich auf den Zaun gesprungen und drüber war ich. Ich hatte Angst um mein Leben. Der Posten brauchte bloß die 20 m die Straße hoch zu laufen, da konnte er mich sehen. In meiner Angst bin ich auf dem Feldweg neben der Hauptstraße gerannt.
Um die nächsten 2 Dörfer habe ich einen Bogen geschlagen und im dritten Dorf suchte ich mir eine Unterkunft zum Schlafen. Unterwegs nach Lübeck habe ich gehört, dass Hitler tot wäre. In Lübeck, in der Vorstadt, die Straße war ganz leer, fuhr ein Generalsauto mit Wimpel an mir vorbei. Etwa 70 m vor mir stiegen 2 Off z. aus dem Auto, gingen zu der Heeresstreife, ließen sich die Papiere zeigen und erschossen sie auf der Stelle. Dann stiegen sie wieder in das Auto und fuhren los. Das alles hatte keine 5 Minuten gedauert. Die Ketten von der Streife nahmen sie mit, auch ihre Papiere, denn eine Fotografie lag bei einem der Toten auf der Brust. Sie zeigte die Familie: Ehefrau, ihn und ein Kind. Ein paar Augenblicke später habe ich erfahren, warum sie erschossen worden sind. Die Heeresstreife war schon seit 4 Wochen bei ihrer Kompanie Ober fällig gewesen. Ich hatte keine Angst mehr, denn ich hatte ja meinen Marschbefehl bis nach Lübeck. Ich sagte zu mir, jetzt gehst du noch nicht in die Kaserne. Am Nachmittag oder Abend stellen sie eine Alarmkompanie auf und da kannst du wieder mit marschieren. Und wenn du dich erst vor 24 Uhr meldest, mußt du ja zuerst zum Arzt. An einem Tag kann noch viel passieren.
Damals stand der Russe 20 km und der Amerikaner 15 km vor Lübeck. Die Leute hofften, dass die Amis vor den Russen nach Lübeck kämen. An nächsten Vormittag sah ich keine Offz. mehr in der Kaserne. Wir Landser standen im Kasernenhof rum, da kam ein Engländer, ging in die Wache rein, kam wieder mit einem Gewehr 98 heraus, schlug es an die Hausecke, wo es in 2 Teile zerbrach und warf es weg. Ein paar Minuten später kam eine englische Panzereinheit vor die Kaserne gefahren. Das ganze Btl. mußte raus treten und sich in Marschordnung aufstellen. Die Panzersoldaten der Engländer nahmen uns unsere Wertsachen, wie Ringe, Uhren, aber auch Kriegsorden ab. Nach ein paar Tagen in der Lübecker Bucht wurden wir alle aufgeteilt. Ein Feldwebel von der Artillerie und ich bekamen 80 Kameraden zugeteilt. Wir wurden auf LKW 's verladen und wurden auf einen großen Gutshof gebracht. Der Schweinestall war leer, wurde von uns gereinigt und als Quartier bezogen. In 2 m Höhe befand sich ein Heuboden, wo auch unsere Kameraden untergebracht wurden. Jeden Morgen mußten die Leute antreten und wurden von uns beiden zum Arbeitsdienst eingeteilt.
Wir teilten sie zum Straßenbau, Brücken- und Brunnenbau ein. Die Leute wurden mit Autos abgeholt und wieder zurückgebracht. Ab Uffz. brauchte man beim Engländer nicht zu arbeiten. Auf dem Gutshof gab es genügend Arbeit. Mitten drin stand eine Scheune, die mit Getreide gefüllt werden mußte. Wir teilten auch hier die Leute ein. Sie mußten mit den LKWs mitfahren, die Säcke aufladen und bei uns wieder abladen. Die LKWs konnten nicht näher als 8 m an die Scheune heran fahren. Ich gab jedem Sackträger einen großen Nagel in die Hand und sagte, wenn sie die Säcke vom Wagen auf dem Buckel nehmen, sollten sie am Sackboden kräftig rein stechen und ihn aufreißen. Es hat sich eine schöne Spur von Weizenkörnern gebildet. Die Engländer dachten bestimmt, dass die Säcke kaputt wären. Als sie weg fuhren und neue Säcke holten, sind wir beiden hingegangen, haben die Körner auf gekehrt und in einen Eimer geworfen. Wir suchten 2 flache große Steine und so zerrieb ich die Körner zu Mehl. Wir bekamen von den Engländern pro Tag eine Scheibe Brot und eine dünne Suppe. Manchmal gab es auch 10 g Butter. Ich habe die Butter eingesammelt und unter den Augen vieler Kameraden eine Mehlsuppe gekocht. Trotzdem hatten wir immer Hunger. Am nächsten Tag, beim Antreten, meldete ein Kamerad, dass ihn die Scheibe Brot gestohlen worden sei. Sofort meldete sich ein anderer, der sagte; mir wurde das Brot gestern auch gestohlen. Es wurde scharf diskutiert. Ein paar Tage später fing es wieder mit der Klauerei an. Wir und die 80 Mann haben beschlossen, wenn wir den Dieb erwischen, wird er aufgehängt. Das wurde jedes Mal beim Antreten gesagt. Wir wollten sogar eine Wache im Schweinestall einteilen. Aber es wurde weiter gestohlen. Einige Kameraden haben sich auf die Lauer gelegt und schließlich auch den Dieb erwischt. Es wurde laut und die Leute schrien, aufhängen, aufhängen. Der Dieb wurde von 4 Männern an die Wand gepresst und schon hing der Strick über dem Holzbalken. In der Dunkelheit konnte man den Täter nicht erkennen. Als ich bei ihm war, erkannte ich, dass er erst 16 Jahre alt war und Flackhelfer Uniform trug. Er war der jüngste von den 80 Mann. Ich hatte blitzschnell meine rechte Hand in die Schlinge gelegt. Viele schrien, hoch ziehen, hoch ziehen. Mein Kollege, der Feldwebel, war gerade ausgetreten und konnte mir nicht helfen. Ich hatte einen schweren Stand, um die Leute zu beruhigen. Ich sagte, das kann doch euer Sohn oder Bruder sein. Die Leute haben den Jungen weder geschlagen noch getreten. Sie wollten ihn hängen sehen.
Es war Sonntag, der Fall war für uns alle erledigt, aber nicht für den Jungen. Im Vorbeigehen haben die Kameraden vor ihm aus gespuckt oder ihm auf die Schuhe gespuckt. Ein paar Stunden später kam ein älterer Soldat zu mir und sagte, den Dieb nehme ich nicht mit nach Hause. Acht Tage vor dem Vorfall war ausgemacht worden, dass der Bauer den Jungen mit sich auf den Hof nimmt, denn er hatte weder Kinder noch Angehörige. Der Junge sollte dann später den Hof übernehmen. Er hatte auch seine Frau in Saarbrücken angerufen, dass er jemanden mitbringt. Die Ehefrau hatte sich natürlich gefreut, dass sie beide bei der Arbeit entlasten werden würden. Jetzt mußte ich dem Jungen ausrichten, dass ein Dieb in der Familie nicht aufgenommen wird.
Der Junge erzählte mir, dass seine beiden Eltern gestorben waren. Er hätte bestimmt ein anständiges Leben bei den Bauern gehabt. Das Leben und die Einteilungen gingen weiter. Mein Kamerad drückte mir eine leere 5 Liter Büchse in die Hand und sagte, jetzt gehen wir Weinberg Schnecken sammeln. Ich fragte, willst du sie essen. Er meinte nur, und du auch. Ich erwiderte, auf keinem Fall. Auf einer Feuerstelle im Freien machten wir einen Topf mit Wasser heiß. Wir schütteten die Büchse mit den Schnecken ins kochenden Wasser. Sie lösten sich gleich vom Häuschen. Den Schleim löffelten wir mit einem Trinkbecher weg. Als wir das zweite Mal das Wasser warn machten, waren die Schnecken schon sauber. Danach haben wir sie mit unseren 10g Butter gebraten. Wir haben sehr viele Schnecken gesammelt, nur weiße und ich muß sagen, die haben auch gut geschmeckt.
Nach 3 Monaten wurde unser Lager aufgelöst und jeder Soldat wurde gefragt, wohin er entlassen werde möchte. Ich habe auf den Zettel Breslau geschrieben. Ich dachte doch, dass meine Frau und unser Kind noch dort wären. Der englische Off z. teilte mir mit, dass kein Soldat in die russisch-polnische Zone entlassen wird. Mein Bruder, Jahrgang 1916, der in Bad Kissingen bei den Kradschützen gedient hatte, hatte auch 1943 in der Nähe von Bad Kissingen geheiratet. Keiner aus meiner Familie war dabei.
So habe ich mich nach in die Nähe von Bad Kissingen entlassen lassen. Beim Roten Kreuz habe ich gleich eine Suchanzeige aufgegeben. Ich hatte Glück und nach ein paar Wochen bekam ich die Antwort, dass meine Frau, unser Kind und die Oma in Landshut in einer Turnhalle untergebracht seien. Nach meiner Entlassung aus der Gefangenschaft war ich in Bayern 4 Wochen unterwegs, um meine Familie zu suchen, habe sie aber nicht gleich gefunden. Schließlich fand ich sie. Natürlich habe ich sie sofort nach Bad Kissingen geholt.
Nach dem Krieg stand ich mit meinem Regiment 49 noch brieflich in Verbindung. Ich war auch noch 2 Mal beim Regimentstreffen, aber außer hohen Off z. habe ich niemanden getroffen, den ich als Melder oder Gruppenführer kannte. Bis 1956 habe ich regelmäßig von Herrn F. Koch, Goslar, Harz, die Blätter 'Kameradschaft ehemaliges Jägerregirnent 49' und bis 1957 das Nachrichtenblatt der 28. Jägerdivision bekommen. Dann wurde die Bundeswehr aufgestellt. Viele Offz. die vorher beim Bundesgrenzschutz waren, haben gleich den ganzen Zug zur Bundeswehr mitgenommen. Man schrieb uns an, dass unser Jägerregiment 49 ein Buch heraus bringe wollte mit Erlebnisberichten. Ich habe auch einen Bericht hingeschickt, habe aber nie erfahren, ob er in die Regimentsgeschichte aufgenommen wurde.
>p>Wie ich schon berichtet habe, bin ich 2 Mal durch die russische Linie gegangen und habe die Verbindung zum BtL. 405 aufgenommen. Ich weiß nicht, wo mein Bericht gelandet ist. Kamerad F. Koch schrieb mir am 10.11.58 'Lieber Kamerad Pawlas, spät erst beantworte ich Ihren Brief mit dem so lebendigen Bericht für die Regimentsgeschichte. Der Brief hat mich aus Goslar über viele Umwege erst vor ca. 3 Wochen erreicht. Ich selbst kann mich noch gut an die Kämpfe erinnern, da ich zu der Zeit Adjutant beim 111/49 war'. Danach habe ich von ihm nichts mehr gehört.Eine unerwartete Begegnung in Mainz - Finthen.
Inzwischen wohnen wir in Rüsselsheim. Da ich Sammler von alten Geldscheinen und Postkarten bin, war ich in Mainz - Finthen auf dem Flohmarkt. Beim durchsehen der alten Postkarten habe ich eine Karte aus dem Jahr 1900, abgestempelt am 25.01.00 gefunden. Die Karte war nach Straßburg an Herrn Graf B. v. Rittberg adressiert. Ich sagte mir, die Karte kaufe ich. Nebenbei bemerkte ich zu dem Verkäufer, ein Leutnant Graf v. Rittberg war früher mein Kompanieführer. Mit ihm war ich ein halbes Jahr lang 24 Stunden am Tag zusammen gewesen. Im Btl. wurde er als vermißt gemeldet. Der Verkäufer sagte, das war mein Onkel. Ich habe ihn nie kennengelernt, weil ich zu jung war. Er berichtete mir, dass sein Onkel 1944 von der SS hingerichtet worden ist. Als ich ihn nach dem Grund fragte, bekam ich die Antwort, er konnte seinen Mund nicht halten. Ich bemerkte, er war doch ein ganz ruhiger Offz. Er erwiderte, Graf v. Moltke und andere seien seine Gesprächspartner gewesen. Ich wiederholte, 24 Stunden am Tage waren wir zusammen, bis er bei einem Angriff verwundet wurde und fügte den Verkäufer gegenüber hinzu, dann sind auch Sie ein Graf. Er nickte, gab mir eine Karte mit seiner Anschrift und sagte wo er beschäftigt war.
Ich möchte eine Lanze brechen für unsere Offz, 49. Wir hatten gute Kompanieführer und Btl. Kdr. Sie sind vorn im Graben oder beim Angriff genauso gefallen wie jeder andere. Ich möchte noch ergänzen, als wir auf der Krim in Grabenstellung lagen, besuchte uns unser Oberst Jordan an der vordersten Front. Als wie immer jeden Morgen 15 bis 20 russische Flugzeuge unsere Stellung Oberflogen und auf uns feuerten, ließ sich der Oberst von einem Kameraden das Gewehr geben und schoß auf das Flugzeug. Er traf den Piloten, das Flugzeug stürzte ab. Dieses Ereignis sprach sich schnell im Regiment herum.
Oftmals habe ich von den zahlreichen Toten berichtet, die wir bei unseren Kämpfen hatten. Aber nie wurde weder von mir oder anderen, die über ihre Kriegserlebnisse schrieben, etwas davon erzählt, wie mit den Toten umgegangen wurde bevor sie beerdigt wurden.
Am Heiligen Abend, wenn ich mit meiner Familie vor denn Weihnachtsbaum sitze und wir mit den Enkelkindern gemeinsam Weihnachtslieder singen, merken die anderen nicht, dass ich oftmals Tränen in den Augen habe, weil ich an die Kameraden und Freunde denke, die ich alleine oder mit anderen gemeinsam begraben hatte.
Bevor wir die toten Kameraden ins Grab legen konnten, mußten sie noch einiges mitmachen. Und darüber möchte ich jetzt noch ein paar Zeilen schreiben.
Eines Tages hatten wir vor Leningrad zwei Tote. Wir sollten die beiden toten Kameraden zum Soldatenfriedhof transportieren, suchten also einen Wagen. Der Essenfahrer, der den Panjewagen fuhr, mußte dieses Mal viel laden, Zuerst das Essen, dann die Wasserkanister, Wolldecken und verschiedene andere Sachen, z. B, Munitionskästen. Die beiden toten Kameraden legten wir zuletzt oben drauf, Als unser Wagen beladen war, fuhren wir Richtung Troß. Die Feldwege waren sehr schlecht, denn sie waren durch Granaten schwer beschädigt worden. Als einige Granaten in unserer Nähe einschlugen, fuhren wir schneller, um aus der Gefahrenzone zu kommen. Als ich mich nach einiger Zeit umdrehte und zurück blickte, merkte ich, dass die Toten verschwunden waren. Der Fahrer hielt an, band die Pferde fest, und wir liefen zurück, um die verlorenen Toten zu suchen. Zum Glück lagen sie nur etwa 15 Meter weiter hinten. Der Fahrer holte das Gespann und wir legten die Toten wieder oben drauf.
Beim Troß angekommen, mußte ich den Toten Hosen, Jacken und Stiefel ausziehen, denn die Soldaten waren erst vor ein paar Tagen aus der Heimat an die Front gekommen und ihre Uniformen waren fast neu. Ich habe den Kameraden eine ältere Uniform angezogen. Und so wurden sie auch beerdigt.
Wir haben im Frühjahr, Sommer oder Herbst, wenn es zeitlich ging, den Toten die gut erhaltenen Uniformen ausgezogen, Kochgeschirr, Koppel, Zeltbahn und Stiefel abgenommen. Unsere Einheit hatte keine Pelzstiefel mit Absätzen bekommen. Wir trugen nur Filzstiefel. An Stelle einer richtigen Schuhsole nähte ich mir Lederlappen auf den Filz. Manchmal kam es uns vor, als ob das Oberkommando der Wehrmacht uns schon abgeschrieben hätte.
Im Winter, wenn die Toten steif gefroren waren und wir die Ringe an ihren Fingern nicht abziehen konnten, schnitten wir ihnen den Ringfinger mitsamt Ring ab. Uhren, Taschen- oder Armbanduhren hat selten einer von uns gehabt. So wurden unsere toten Kameraden beerdigt. Manchmal war auch ein Kriegspfarrer auf dem Soldatenfriedhof in Mga. Der sprach dann ein paar Worte.
Später machten wir es anders. Erst legten wir die Toten in den Panjewagen, dann kamen die Decken drauf und erst zum Schluß kamen die Mäntel, Kanister und Munitionskästen an die Reihe.